Städte sind auf Energie gebaut

Die in Großstädten erzeugte Wärme erhitzt das Grundwasser. Schweizer und deutsche Forscher schlagen vor, diese Wärme zu nutzen. Von Elke Bunge

  • Elke Bunge
  • Lesedauer: 3 Min.

Unter großen Städten schlummern enorme Energiequellen. Aus erwärmten Grundwasserschichten ließe sich nachhaltig Energie zum Heizen im Winter und Kühlen im Sommer gewinnen, berichten Forscher von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Fachjournal »Environmental Science and Technology«. Das warme Grundwasser entsteht vor allem durch gestiegene Oberflächentemperaturen und durch die Wärmeabgabe von Gebäuden.

Viele Menschen, die auf dichtestem Raum zusammen leben, erzeugen Wärme. Private Haushalte, Industrie und Verkehr - all das führt zu einem urbanen Mikroklima mit erhöhten Temperaturen. Nicht nur in der Atmosphäre, das Mikroklima beeinflusst auch den Untergrund der Städte. Dass diese Erwärmung bis in die Grundwasserschichten reicht und sich diese Temperatur stetig erhöht, konnten jetzt Philipp Blum mit seinen Kollegen vom KIT sowie Peter Bayer vom geologischen Institut der ETH Zürich zeigen. Die Wissenschaftler entwickelten ein Wärmestrom-Modell, um mögliche Faktoren wie Anstieg der Oberflächentemperaturen von versiegelten Flächen, Wärmeabgabe von Gebäuden, Abwasserkanälen und unterirdischen Fernwärmenetzen sowie der Einleitung von Kühlwässern zu untersuchen.

Am Beispiel der Stadt Karlsruhe mit ihren etwa 300 000 Einwohnern erstellte das Team Modellrechnungen für die von Menschen verursachten Wärmeströme in den Untergrund der Stadt und berechnete diese für das Jahr 1977 sowie 2011. Durch den Vergleich konnten die Forscher langfristige Entwicklungen der Wärmestromprozesse ermitteln. Sie fanden heraus, dass vor allem die erhöhten Oberflächentemperaturen sowie die Wärmeabgabe von Gebäuden für den Temperaturanstieg im Untergrund verantwortlich sind und dass dieser stetig weiter geht. »In Karlsruhe betrug die durchschnittliche Wärmestromdichte in die oberflächennahen Grundwasserschichten im Jahr 1977 noch 759 Milliwatt pro Quadratmeter. Im Jahr 2011 waren es bereits 828 Milliwatt pro Quadratmeter«, berichtet Blum. »Allein dieser zehnprozentige Anstieg reichte aus, um etwa 18 000 Haushalte in Karlsruhe nachhaltig mit Wärme zu versorgen.«

Bereits vor drei Jahren hat das Institut Untersuchungen zum Grundwasser unter den städtischen Ballungsgebieten vorgenommen und festgestellt, dass dieses dort deutlich erwärmt ist. »Die Temperatur liegt bis zu fünf Grad höher als im Umland«, so Blum seinerzeit. Schon damals stellte er fest, dass unter den Städten enorme Energiequellen schlummern. Würde in der Stadt Köln das Grundwasser in einer rund 20 Meter dicken Schicht im Untergrund angezapft und um nur zwei Grad abgekühlt, ließe sich damit der jährliche Heizbedarf sämtlicher Wohngebäude in der Stadt für mindestens zweieinhalb Jahre decken, wie die Forscher errechneten.

In ihrer aktuellen Studie, in der sie die langfristige Entwicklung der erwärmten Grundwasserschichten simulierten, schlagen die Forscher vor, diese Energie mithilfe von Erdwärme- und Grundwasserwärmepumpen zum Heizen im Winter und zum Kühlen im Sommer zu nutzen. Eine Wärmepumpenheizung entzieht dem Grundwasser oder dem Erdreich Wärme und hebt deren Temperatur mit relativ wenig zusätzlicher Energie auf ein verwertbares Temperaturniveau an, um damit Gebäude oder andere Einrichtungen beheizen zu können. Mit diesem geothermisch genutzten Potenzial ließe sich den Wissenschaftlern zufolge nicht nur ein Teil des wachsenden Energiebedarfs decken, sondern auch die Emission von Treibhausgasen reduzieren. Dies könnte gleichzeitig einer weiteren Erwärmung der Großstädte entgegenwirken.

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