»Es geht um ihre Existenz«

Die spanische Genossenschaft Fagor-Electrodomésticos ist nach 57 Jahren bankrott

  • Lesedauer: 3 Min.
Ainara Udaondo Alberdi und Frederick Freundlich arbeiten an der genossenschaftlichen Universität Mondragón. Ulrike Kumpe sprach mit ihnen für das »neue deutschland« über die Folgen der Insolvenz von Fagor-Electrodomésticos auf den Genossenschaftsverbund Mondragón.

Sie arbeiten beide an der Universität Mondragón. Inwiefern betrifft Sie die Insolvenz von Fagor-Electrodomésticos?
Udaondo: Es betrifft uns direkt. Die Universität Mondragón ist eine Genossenschaft und Mitglied des Genossenschaftsverbundes Mondragón. Fagor-E war die erste Genossenschaft. Sie half vielen Genossenschaften sich zu gründen. Deshalb hat die Insolvenz große symbolische Bedeutung, nicht nur in ökonomischer Hinsicht. Heute hat Mondragón verschiedene Sektionen: Industrie, Handel, Finanzen und Bildung. Aber Fagor ist das Mutterschiff.

Freundlich: Es betrifft uns auf verschiedene Weisen. Mondragón schuf sein eigenes soziales Sicherungssystem, das einen Wiedereinstellungsfond beinhaltet. Der Mitgliedsbeitrag stieg auf fünf Prozent des Gehalts, um für einige Jahre die Löhne für die Fagor-E-Arbeiter mit aufzubringen, bis sie neue Jobs in anderen Genossenschaften bekommen können oder neue gegründet haben.

Warum entschieden sich die anderen Genossenschaften dazu Fagor-E nicht länger zu unterstützen?
Udaondo: Es ist wichtig zu wissen, dass Fagor eine Gruppe aus acht Genossenschaften ist. Fagor-E ist nur eine davon. Die anderen Genossenschaften der Gruppe Fagor unterstützen Fagor-E finanziell seit fünf Jahren. Im letzten Jahr auf der Hauptmitgliederversammlung entschieden alle Genossenschaften, dass wir ein Prozent unseres Lohnes an Fagor-E abtreten, um einen neuen Businessplan zu finanzieren. Doch dieses Jahr haben wir entschieden, ihnen kein Geld mehr zu geben.

Freundlich: Die Situation von Fagor ist zu unsicher. Die Märkte in Spanien und Frankreich, für die Fagor produziert, sind um 66 Prozent eingebrochen. Fagor-E bat um noch einmal 170 Millionen Euro und hat bereits 800 Millionen Euro Schulden. Selbst mit dieser weiteren Investition wäre es ein großes Risiko. Deshalb entschieden wir, einmalig 50 Millionen zu investieren, um Fagor-E zu schließen und Umschulungen und neue Genossenschaften zu finanzieren.

Hat die Entscheidung, Fagor nicht mehr zu unterstützen, Einfluss auf die Solidarität der Genossenschafter untereinander?
Udaondo: Die Solidarität ist bei Mondragón institutionalisiert. Es gibt Mechanismen und Regeln. Ein Beispiel dafür ist die Entscheidung der Unterstützung einer Genossenschaft. Es kann eine einzelne Genossenschaft aus einer Gruppe dagegen stimmen. Wenn die gesamte Gruppe die Unterstützung befürwortet, zahlen alle, auch diejenigen, die mit nein gestimmt haben. Etwas anderes ist das Gefühl der Zugehörigkeit oder Solidarität als Wert.

Freundlich: Die Genossen von Fagor sind wütend und besorgt. Es geht um ihre Existenz. Sie fragen schon, wo bleibt die Solidarität. Doch sie werden seit fünf Jahren unterstützt und werden es auch weiterhin, nur nicht in der Form, den Betrieb zu erhalten. Das ist nicht machbar.

Widerlegt die Insolvenz von Fagor die These, dass Genossenschaften wirtschaftliche Krisen besser bewältigen, als konventionelle Unternehmen?
Udaondo: Nein, auf gar keinen Fall. Fagor-E. ist eine von 120 Genossenschaften im Mondragón-Verbund. Die einzelnen Genossenschaften wirtschaften meist unabhängig. Viele hatten schon einmal Probleme und wir konnten sie lösen. Das Problem von Fagor ist, dass es zu klein ist. Die mediale Diskussion in Spanien erklärt deshalb die Genossenschaftsbewegung schon für beendet, wegen der Insolvenz von Fagor und schreibt, dass sie nicht funktioniert. Es stimmt einfach nicht. Viele konventionelle Unternehmen sind in der aktuellen Wirtschaftskrise insolvent gegangen, von Mondragón betrifft es bisher ein Unternehmen und es gibt im Moment keine Anzeichen dafür, dass es weitere gibt.

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