Klick und weg

Jörg Meyer über den Streik bei Amazon

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit Monaten läuft der Arbeitskampf bei Amazon. Eigentlich schon seit Jahren, wenn man bei den ersten Organisierungsbemühungen in den Verteilzentren anfängt. Mitglieder wollen angeworben werden, Strukturen aufgebaut und so letztlich die Streikfähigkeit erreicht werden. Allein aus dieser Hinsicht, aber auch, weil in der laufenden Auseinandersetzung die Mitgliederzahlen der Gewerkschaft »in nennenswertem Maße« stetig ansteigen, ist der Kampf um den Tarifvertrag schon jetzt ein Erfolg für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, obwohl er vermutlich noch eine Weile andauern wird.

Die Kampagne, die diese Tarifauseinandersetzung begleitet, ist wohl die öffentlichkeitswirksamste des Jahres 2013. Amazon ist in aller Munde, Medien haben Reporter eingeschleust, die sich vor Ort ein Bild über die Arbeitsbedingungen und die totale Kontrolle am Arbeitsplatz machen. Einzelhändler und Verbände, die Geschäftspleiten und verwaisende Innenstädte in Zeiten des wachsenden Onlinehandels befürchten, schließen sich zusammen und verweigern die Annahme von Paketen der großen Onlinehändler.

Und das alles für nur 9000 Beschäftigte? Verglichen mit dem Streit ums Streikrecht in kirchlichen Unternehmen, in dem Hunderttausende bei Diakonie, Caritas und Co. betroffen sind, ist der Amazonstreik eine kleine Nummer. Doch es geht bei dieser Auseinandersetzung zwischen ver.di und dem Handelskonzern mit Weltmachtstreben um viel mehr.

Zum einen ist das die sich verändernde Handelsbranche. Niedergelassene Händler beklagen, dass Kundinnen und Kunden sich zunehmend von ihnen beraten lassen - und dann billiger im Internet bestellen. Geschäftspleiten sind tatsächlich die Folge. An dem Kampf um den Handelstarifvertrag bei Amazon hängt also noch eine ganze Branche mit über drei Millionen Beschäftigten.

Die andere wichtige Komponente ist: Amazon verweigert sich der Tarifbindung, will einseitig Arbeitsbedingungen und Löhne diktieren, sich nicht an die hier herrschenden Spielregeln halten. Und zu denen gehört nun einmal das grundgesetzlich garantierte Recht, sich in einer Gewerkschaft zu organisieren und mit dieser auch für einen Tarifvertrag zu kämpfen. Darum nennt die Dienstleistungsgewerkschaft die Auseinandersetzung »grundsätzlich«. Darum ist es so wichtig, dass die Beschäftigten den viel zitierten »langen Atem« haben und nicht nachlassen. Gegen die Kunden, die jetzt im Weihnachtsgeschäft meckern, dass ihre Pakete nicht rechtzeitig ankommen, geht es indes nicht. Die können auch in ein Geschäft gehen oder bei einem der zahlreichen anderen Onlinehändler bestellen.

Und letztens muss Amazon auch genau darum betonen, dass der Streik keinerlei Auswirkungen hat. Würden sie offen zugeben, dass es zu Verzögerungen im Ablauf kommt, droht ein immenser finanzieller Verlust, und der Konzern, der mit seinem »Ein-Klick-Einkauf« und kurzen Lieferzeiten wirbt, wäre bloßgestellt.

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