Der Pariser Ruhmeshalle fehlen die Frauen

Präsident Hollande darf in Kürze etwas daraus machen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Pariser Pantheon, der 1791 während der Französischen Revolution eingerichteten Ruhmeshalle der Nation, sind Frauen an einer Hand abzuzählen. Das soll sich ändern.

Von den 75 Persönlichkeiten, deren Gebeine in der Gruft des riesigen, ursprünglich als Kirche geplanten Kuppelbaus ruhen, sind bislang nur zwei weiblichen Geschlechts. Die erste war 1907 Sophie Berthelot, deren Ehemann Marcellin ein berühmter Chemiker war. Er hat wiederholt erklärt, dass er seine seit dem Unfalltod eines Sohnes schwer herzkranke Frau nicht überleben wolle und tatsächlich ist er weniger als eine Stunde nach ihrem Tod gestorben. Aufgrund dieser ungewöhnlichen Umstände hat der seinerzeit amtierende Staatspräsident Armand Clement Fallières entschieden, dass nicht nur der Wissenschaftler, sondern mit ihm seine Frau im Pantheon ruhen soll.

Dem Gesetz nach bestimmt allein das amtierende Staatsoberhaupt, wer hier einziehen darf. Das ist immer mit einer großen Zeremonie verbunden, doch nicht alle Präsidenten haben diese Gelegenheit genutzt, sich damit in Szene zu setzen. Unter General de Gaulle wurde der Résistance-Held Jean Moulin ins Pantheon überführt. Während seine Amtsnachfolger Georges Pompidou und Valérie Giscard d›Estaing auf »Pantheonisierungen« verzichteten, war der erste linke Präsident François Mitterrand umso aktiver. In den 14 Jahren seiner Amtszeit ließ er René Cassin, Jean Monnet, den Abbé Grégoire, Gaspard Monge, Condorcet sowie Marie und Pierre Curie ins Pantheon einziehen. Jacques Chirac entschied sich für die Schriftsteller André Malraux und Alexandre Dumas, obwohl letzterer sich zu Lebzeiten ausdrücklich gegen eine solche Ehrung verwahrt hatte. Unter Nicolas Sarkozy wurde der Dichter Aimé Césaire geehrt, doch da der vor seinem Tod verfügt hatte, auf seiner Heimatinsel in der Karibik bestattet zu bleiben, gibt es im Pantheon nur eine Gedenktafel mit seinem Namen.

Der amtierende Präsident François Hollande hat vor Monaten eine Arbeitsgruppe beauftragt, ihm Vorschläge für Neuzugänge für das Pantheon zu unterbreiten. Die hat ihm nun das Ergebnis ihrer Überlegungen unterbreitet, doch darüber schweigt man sich im Elysée aus. Parallel dazu gab es eine Umfrage im Internet, welche Persönlichkeiten ins Pantheon einziehen sollen: Viele Franzosen - und nicht nur Feministinnen, die dies vehement fordern - meinen, dass es an der Zeit wäre, das krasse Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zumindest etwas auszugleichen und als nächstes eine Frau ins Pantheon zu überführen. Auf der »Wunschliste« stehen die Schriftstellerinnen George Sand, Madame du Châtelet und Simone de Beauvoir, die Commune-Heldin Louise Michel oder die Résistance-Kämpferinnen Germaine Tillion und Lucie Aubrac. Die meisten Stimmen bekam Olympe de Gouges, die sich zur Zeit der Französischen Revolution für gleiche Rechte für Frauen eingesetzt hat und dafür 1793 auf der Guillotine ihr Leben ließ.

Auch zahlreiche Männer wurden vorgeschlagen - vom Philosophen Diderot und dem General Lafayette, der als Vertreter des revolutionären Frankreich nach Amerika geschickt wurde und eine wichtige Rolle im Unabhängigkeitskampf der USA gespielt hat, über den Historiker Jules Michelet bis zu Persönlichkeiten der jüngsten Vergangenheit wie Abbé Pierre, der sich für Arme und Obdachlose engagiert hat, oder Stéphane Hessel, Résistance-Kämpfer und Mitautor der UNO-Menschenrechtskonvention.

Hollande hat nun die Qual der Wahl. Oder er hört auf den Vorsitzenden der Finanzkommission der Nationalversammlung, Gilles Carez, der die Überführungen ins Pantheon als zu teuer in Zeiten knapper Kassen empfindet und das Geld »besser für heute lebende Franzosen angewendet« sehen würde. Die jüngsten Zeremonien hätten jeweils zwischen 1,2 und 1,7 Millionen Euro gekostet. Gegenwärtig wird das Pantheon restauriert, was 100 Millionen Euro kosten wird. Die Öffentlichkeit wurde aufgerufen, einen Teil der nötigen Mittel zu spenden. Bisher kamen lediglich 68 565 Euro zusammen.

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