Geständnis gegen mildes Urteil

Ex-Polizist klagt gegen seine rechtswidrige Verurteilung

  • Lesedauer: 2 Min.
Mildes Urteil gegen ein ehrliches und von Reue getragenes Geständnis - so in etwa ist die Formel eines sogenannten Deals im Gerichtssaal.

Der Fall schien klar. Die Kammer konnte am 15. März 2011 kurzen Prozess machen. Sie verurteilte den damals 34-jährigen Polizisten Jens R. und einen weiteren Kollegen wegen schweren Raubes und Strafvereitelung im Amt. Zwei Jahre auf Bewährung lautete der Richterspruch für R., nachdem er die Tat gestanden hatte. Laut Urteil sollen er und sein Kollege bei einer Kontrolle des illegalen Zigarettenhandels die Ware in die eigene Tasche gesteckt haben. Wert des Nikotinpakets: etwa 100 Euro. Da die Polizisten beim Geschehen ihre Dienstwaffen bei sich trugen, wurde die Tat als schwerer Raub gewertet. R. wurde aus dem Polizeidienst entlassen.

Jetzt wird der Fall erneut verhandelt, denn Jens R. hat sein Geständnis widerrufen. Er beteuerte, er sei unschuldig und vom damaligen Richter faktisch erpresst worden. Bei einem Geständnis stellte der zwei Jahre auf Bewährung in Aussicht, ansonsten müsse R. mit einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechnen. R. stand unter Druck, willigte ein, gestand den Zigarettenraub und erhielt die abgesprochene Strafe.

Nach seinem Widerruf ging der Fall zum Bundesgerichtshof. Der verwarf die Revision am 29. August 2011. Doch am 19. März 2013 hob das Bundesverfassungsgericht das Urteil des Berliner Landgerichts und den Beschluss des Bundesgerichtshofes auf und verwies den Fall zurück an das Landgericht. Der Angeklagte sei in seinen Grundrechten verletzt worden, konstatierte das Bundesverfassungsgericht. Er reiche nicht aus, wenn der Beschuldigte der Anklage einfach zustimme. Das Gericht habe die Pflicht, die Wahrheit zum Tatgeschehen umfassend zu erforschen, betonten die Verfassungsrichter. Sie bestätigten, dass eine Absprache zwischen den Verfahrensbeteiligten durchaus legitim sei. Eine einfache Zustimmung reiche zur Aufklärung der Straftat jedoch nicht aus.

Zahlreiche Fälle von Absprachen zwischen dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und den Angeklagten hatten die gängige Praxis in Verruf gebracht. Der Deal wurde hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, Opfer einer Straftat, die im Gerichtssaal Auskunft über die Hintergründe der Tat erwarteten, wurden enttäuscht. Der Vorteil für das Gericht: Es konnte zu einer schnellen Entscheidung kommen. Der »Prozessökonomie« war Genüge getan.

Somit beginnt nun das Spiel von vorn. Gleich zum Auftakt stellte die Verteidigung den Antrag, den Vorsitzenden Richter Fuchs für befangen zu erklären. Er habe bei der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung mitgewirkt, somit könne er jetzt nicht unbefangen über R. entscheiden. Der damalige Vorsitzende Richter sei faktisch der Vorgesetzte des jetzigen, somit könne nicht ausgeschlossen werden, dass hier Einfluss auf das Verfahren genommen wird. Das Gericht vertagte sich.

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