nd-aktuell.de / 20.12.2013 / Brandenburg / Seite 12

Nicht nur Mieter gegen Investor

Widerstand gegen Bauprojekt am Wasserturm im Prenzlauer Berg hält an

Stephan Fischer
Seit fast vier Jahren wird um die Wohnanlage am Wasserturm im Prenzlauer Berg gestritten. Ein Investor will günstige Mietwohnungen teilweise abreißen, andere massiv neu überbauen.

»Das Leben ist Veränderung«, fällt einem Anwalt von Rainer Bahr mit seiner Beteiligungsgesellschaft econcept nur ein, als er auf die extremen Auswirkungen des Bauprojekts angesprochen wird. »Aber was für eine...«, entfährt es schon leicht verbittert einer Mieterin des Wohnkomplexes am Wasserturm an der Straßburger Straße im Prenzlauer Berg. Ein weiterer Mieter beschreibt die Entmietung und den Abriss von günstigem Wohnraum mit diesen drastischen Worten: »Eine Schande, dass so etwas hier möglich ist, Profit vernebelt eure Hirne!« Da haben sich Gregor Gysi (Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag), Stefan Liebich (direkt gewählter Wahlkreisabgeordneter der LINKEN) und mehr als 50 Mieter und Anwohner bei Schmuddelwetter schon ein Bild vom Projekt machen können.

Die drei Wohnblöcke gehörten ursprünglich einer Arbeiterwohnungsgenossenschaft (AWG). Eine Nachfolgegenossenschaft ging 2004 pleite und der Investor kaufte das Wohnensemble auf. Und hatte große Pläne: Aufstockung von Gebäudeteilen, eine Tiefgarage sollte her, für die Blockrandbebauung an der Straßburger Straße sollten 20 Wohnungen abgerissen werden. Verdrängung der alten Bewohner und massive Einschränkungen der Lebensqualität im Kiez wären die Folge. Dagegen setzten sich die Mieter und Anwohner zur Wehr und hatten zunächst auch Erfolg: Der Bezirk erließ 2011 eine Erhaltungsverordnung für das Gelände, die die Pläne erst einmal verhinderte. Dagegen klagte der Investor und der Bezirk ließ sich aus Angst vor Schadensersatzansprüchen von bis zu 15 Millionen Euro im Mai 2013 auf einen Vergleich ein, die Erhaltungsverordnung wurde aufgehoben.

Für die Mieter der Blöcke brachte der Vergleich nur wenig Gutes: Mieter, die im Mai 2010 über 70 Jahre alt waren, dürfen zwar nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, für jüngere gilt eine Schutzfrist von zehn Jahren. Diese gilt jedoch nicht für die Bewohner der zum Abriss vorgesehenen 20 Wohnungen. Sie sollen raus, gegen vier der noch acht verbliebenen Mieter wurden sogenannte »Verwertungskündigungen« ausgesprochen. Die Unwirtschaftlichkeit des Grundstücks scheint jedoch zweifelhaft: Die Wohnungen sind nach der Wende saniert worden und weisen üblichen Standard auf. Der Kaufpreis für das Grundstück allein sollte eine Unwirtschaftlichkeit vor Gericht nicht rechtfertigen können.

»Wir sehen hier einen Schlussstein von Verdrängung im Bezirk. Solange sich der Investor an Gesetze hält, ist dem auch nicht beizukommen. Die Gesetze müssen geändert werden, aber die Bundesregierung war bis jetzt eine mieterunfreundliche, wie auch das neue Mietrecht zeigt«, so Liebich. Und Gysi ergänzt »Diese Luxussanierungen gehen mir auf die Nerven. Und der Senat hat überhaupt kein Konzept, wie die soziale Mischung in Berlin erhalten werden kann.«

Unerwartete Hilfe könnten die Bewohner von Anwohnern erfahren, die im Kiez Eigentumswohnungen besitzen: Einige fechten den Vergleich an, da sie als von den Baumaßnahmen Betroffene kein Mitspracherecht hatten. Mieter und Eigentümernachbarn zusammen gegen den Investor. Das Leben ist Veränderung. Diese unerwartete Wendung könnte auch den Mietern, Gysi und Liebich gefallen.