Europas Giftmischer verhindern Hinrichtungen in den USA

Dänische Herstellerfirma weigert sich, ihre Todesdroge für diesen Zweck zu verkaufen

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.
In den USA wurden in diesem Jahr 39 Menschen hingerichtet, so wenige wie seit zwei Jahrzehnten nicht. Ein Grund dafür ist auch der Mangel an Giftspritzen, eine Folge des europäischen Lieferboykotts.

US-Straftäter müssen weniger häufig mit der Todesstrafe rechnen als in vergangenen Jahrzehnten. Einer der Gründe sei der europäische Lieferboykott von Giftspritzen, stellte ein Informationszentrum gegen die Todesstrafe in Washington heraus. Weitere gewichtige Gründe sind die geringer werdende Akzeptanz von Hinrichtungen in Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit, die Besorgnis angesichts von Fehlern bei Ermittlungen und Verurteilungen und vor allem der Trend zu mehr lebenslangen Haftstrafen ohne jegliche Chance auf Bewährung.

Mit Ausnahme von Virginia benutzen alle Bundesstaaten der USA einen Cocktail tödlicher Gifte, um Verurteilte hinzurichten. Diese Giftmischung ist allerdings in den Vereinigten Staaten schwerer zu bekommen, seit in Europa Hindernisse für deren Export errichtet wurden. Der Hersteller von Pentobarbital, die dänische Firma Lundbeck, weigert sich, die Todesdroge für den Einsatz bei Hinrichtungen zu verkaufen.

Nachdem Missouri zwei Verurteilte mit Narkosemitteln hinrichten wollte, prüfte die Europäische Union ein Exportverbot. »Viele der in tödlichen Injektionen verwendeten Gifte werden in Europa hergestellt«, hält der DPIC-Report fest. »Dort hat die Ablehnung der Todesstrafe zu einem Exportverbot für Exekutionsgifte geführt.« Ohio und Texas lassen sich ihren Henkers-Cocktail inzwischen in heimischen Apotheken mischen.

2013 wurden bislang 39 Menschen in den USA hingerichtet, ein Rückgang um zehn Prozent gegenüber 2012. Richter verhängten 80 Todesurteile, davon 24 in Kalifornien und 15 in Florida. 1994 wurden noch 328 Todesstrafen ausgesprochen. Richter oder Gouverneure haben in 33 Fällen die Vollstreckung ausgesetzt. Nach den aktuellsten Zahlen vom April saßen 3108 Verurteilte in Todeszellen von US-Gefängnissen - Immerhin zwei Prozent weniger als 2012. Von 50 Bundesstaaten haben 18 die Todesstrafe abgeschafft, Maryland erst in diesem Frühjahr.

»Vor 20 Jahren nahm die Zahl der Todesurteile zu. Jetzt gehen sie fast überall zurück«, sagt Richard Dieter, Geschäftsführer des Death Penalty Information Center (DPIC) in Washington. »Die wiederholten Probleme mit der Todesstrafe haben ihre Anwendung seltener gemacht, vereinzelter und sie wird oft jahrzehntelang ausgesetzt.« Und immer mehr Bundesstaaten überlegten, ob man diese teure und ineffiziente Praxis nicht abschaffen sollte, sagte Dieter.

Fast 60 Prozent der diesjährigen Hinrichtungen wurden in Texas und Florida ausgeführt, heißt es im DPIC-Bericht. In Texas wurden 16 und in Florida sieben Todesurteile vollstreckt, die anderen in Alabama, Arizona, Georgia, Ohio, Oklahoma, Missouri und Virginia. Beim »Spitzenreiter« Texas haben Richter in diesem Jahr neun Menschen zum Tode verurteilt. 2000 wurden dort noch 40 solcher Urteile verhängt.

Ein wichtiger Grund dafür, dass von texanischen Gerichten weniger Todesurteile ausgesprochen werden, ist die Möglichkeit, lebenslange Haft ohne Bewährung zu verhängen, meint Rechtsprofessor Douglas Berman von der Ohio State University. »Das ist sogar der wichtigste Einzelgrund für den Rückgang der Todesurteile«, erklärt Berman.

Die Mehrheit der Amerikaner ist im Übrigen noch immer Anhänger der Hinrichtung als Höchststrafe. »Etwa die Hälfte der Bevölkerung denkt, diese Strafe sollte viel häufiger verhängt werden«, sagt Berman unter Berufung auf Umfragen. Im vergangenen Jahr haben die Bürger des Bundesstaates Kaliforniens in einer Volksbefragung den Vorschlag zur Abschaffung der Todesstrafe abgelehnt.

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