Ein Puppenspiel, ein Wiegenlied und ganz viel Herzenswärme

»Bummelpeters Weihnachtsfest« - ein musikalisches Kindertheater im Konzerthaus am Gendarmenmarkt

  • Kerstin Yne Lange
  • Lesedauer: 4 Min.

Kurz vor Weihnachten haben wir Zuschauer schon eine Menge zusammengekauft. Fast alles ist da - außer Zeit. Ganz anders geht es dem »Bummelpeter« aus Albert Wendts Kinderbuch - der hat jede Menge Zeit. Für das Konzerthaus am Gendarmenmarkt hat Wendt aus seinem Buch nun ein Theaterstück geschaffen, Jens Naumilkat komponierte die Musik dazu. Dieser Tage ist das Stück in der Regie von Antje Siebers und in der Dramaturgie von Gabriele Nellessen zur Uraufführung gekommen.

Am Weihnachtstag steht der Siebenjährige im Schneeflockenreigen. Es sind noch zwei Stunden, bevor er nach Hause darf, um von seiner Tante eingelassen zu werden. Wie gern warten wir mit ihm, während die weißen Flocken still auf seiner Holzpuppenhaut schmelzen. Und während Martin Seifert beginnt, die Geschichte dieses Jungen zu erzählen, wendet Ute Kahman den Kopf der Puppe langsam in eine Welt, die wir mit ihr noch einmal entdecken dürfen.

Der Bummelpeter fällt auf dem zugefrorenen Dorfteich in ein Eisloch, kann herauskriechen und hofft nun frierend auf die Mütterlichkeit hinter lichterhellten Fenstern. Was so ein kleiner Junge, der nur eine Tante hat, eben unter Mütterlichkeit versteht: eine Frau, die ihn einhüllt in warme Decken, mit heißem Tee versorgt und, nun ja, etwas schimpft. Das muss sein, das zeigt, dass sie sich sorgt. Doch wird ihm zugerufen: »Aber nun schnell nach Hause, sonst holst du dir den Tod!« Die verheißungsvollen Fenster werden dunkel, eins nach dem anderen, verwehren dem Jungen die Herzenswärme, die er zum Leben braucht. Er läuft die Straße entlang zum Schafstall am Rande des Dorfes. Er bummelt nicht mehr, er läuft um sein Leben. Die wollenen Tiere nehmen ihn in ihrem Zuhause auf. »Ein Lamm war ins Wasser gefallen und die Herde wärmte es.«

Es ist eine Weihnachtsgeschichte in poetischer Sprache, die in ein offenes, tiefschichtiges Bühnenbild hineingehoben und durch die Klänge des Musikerquartetts um Jens Naumilkat an die Hand genommen wird. Ruhig werden die Seiten der Geschichte gewendet, eine nach der anderen, verweilend in stillen Zwischenräumen, dicht gefüllt mit sprechenden Bildern.

Hier gehen die Hirten nicht zum Kind, der Schäfer bringt den bewusstlosen Jungen ins Krankenhaus. Aber wie er ihn bringt, mit majestätischen Schritten auf großer Leinwand, bringt er ihn zurück ins Leben. Dort empfängt den Erdensohn nicht die Mutter Maria, sondern die Oberschwester Hippolyta: »Mir stirbt am Heiligen Abend auf meiner Station kein Kind!« Energisch greift die sonst etwas raue Oberschwester (Ute Kahmann) nach der Kinderhand und singt dem Jungen ein Wiegenlied - nicht zum Einschlafen, sondern zum Aufwachen: »Bummelpeter, Bummelant, mach nur diesmal schnell. Ohne deine Augensterne wird’s im Haus nicht hell.«

Nicht Josef kniet alsdann vor dem Kind in der Krippe, stattdessen hockt der Doktor (Thomas Mette) hinterm Giebel am Fußende von Peters Bett. Mit Hippolyta spielt er Kasperletheater - eine kleine Geschichte in der großen. Den pädagogischen Anspruch mag der Doktor vielleicht verkaspert haben, aber das Aufstrahlen der Seele des kleinen Jungen nicht. Da sieht man von einer Holzpuppe nur den dunklen Haarschopf auf dem weißen Federkissen, aber die Puppe lebt wie ein richtiges Kind. Das vermag die hohe Schauspielkunst, das vermag eine aufmerksame Inszenierung, die noch Worte hören kann und der Geschichte dient. Und das vermögen die Gaben zum Heiligen Abend: ein Puppenspiel, ein Wiegenlied und ganz viel Herzenswärme. Da bleibt dem Tod kein Tun: »Doch hier, an diesem warmen Menschenort, da stockt mein Schritt, da bleib ich stehn, hier endet meine Macht.«

Für Peter endet die Geschichte hier keineswegs, obwohl er sich in zwei Weihnachtsfeiertagen gesund geschlafen hat. Er entdeckt, als er in seinem neuen Leben erwacht, helles Licht hinter den Fenstern im Schwesternhaus gegenüber. Da weiß er, dass die für ihn geöffnet werden. Nun kann er sich wieder in die Geborgenheit seiner Kissen zurückfallen lassen. Die lebensgroße Holzpuppe lehnt sich an Martin Seifert, den Erzähler, der ihr seine Stimme schenkte. Da endlich schmilzt der Schnee auf seiner Holzpuppenhaut - ganz so, als schlüge darunter ein echtes Kinderherz.

Weitere Vorstellungen: 23.12., 17 Uhr; 24.12., 11 Uhr und 25.12., 16 Uhr

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