nd-aktuell.de / 27.12.2013 / Sport / Seite 18

Der Goldsammler unter den großen Klappen

Diskuswerfer Robert Harting aus Berlin verteidigt 2013 nicht nur WM-Gold, sondern auch den Titel als nd-Sportler des Jahres

Oliver Händler
Er ist das Sprachrohr der deutschen Leistungssportler. Das macht Robert Harting unbeliebt bei Präsidenten, doch die Fans lieben ihn.

Als Robert Harting 2012 seinen ersten Pokal zum nd-Sportler des Jahres bekam, konnte er endlich wieder lächeln. Er wusste nicht, dass dieser Fototermin anstand, doch es war ihm ganz offensichtlich eine nette Abwechslung. »Damit habe ich gar nicht gerechnet«, sagte er verdutzt. Zuvor hatte er eine knappe Stunde von seinem neuesten Projekt erzählt, einer Lotterie, deren Erlöse den deutschen Spitzensportlern zugute kommen sollen. Es gab nur ein Problem: Har-ting durfte noch gar nicht darüber reden. Denn noch hat die Lotterie keine Lizenz, und Werbung für ein solches Glücksspiel ist ohnehin verboten in Deutschland. Wer Robert Harting kennt, weiß, dass er sich nur sehr ungern den Mund verbieten lässt.

Diese Eigenschaft dürfte ein Grund dafür sein, warum der 2,01 Meter große Hüne aus Berlin in den vergangenen beiden Jahren bei vielen Wahlen zum Sportler des Jahres erkoren wurde. Beim »nd« gewann er nun auch zum zweiten Mal - nicht nur wegen der großen Klappe. Harting überzeugt zunächst im Diskusring. Olympiasieger 2012, Weltmeister 2013. Eine große Meisterschaft verlor er zuletzt 2010 bei der EM in Barcelona. Seitdem hortet der 70-Meter-Werfer Gold in Form von Medaillen und Pokalen. So wird er fast unangreifbar.

Im auf Erfolge getrimmten deutschen Leistungssport ist Harting zum Sprachrohr der Athleten geworden. Wenn er etwas zur Sportförderung sagt, zum Thema Doping oder zu angeblich unfähigen Funktionären, es wird sofort gedruckt, gesendet, getwittert. Hartings Worte - so verletzend sie manchmal sein können - haben Gewicht.

Der Berliner mit dem schütteren Haar und den mangelhaft verarbeiteten Sporthemden ist die Verkörperung des mündigen Athleten, den so viele Trainer, Präsidenten und Sponsoren fordern, aber eigentlich gar nicht wollen - dann, wenn er wirklich mal beginnt, sie alle dafür zu kritisieren, dass sie sich selbst in den Mittelpunkt stellen anstatt die Sportler.

Zugegeben, nicht immer finden Hartings Worte bei aller Multiplikation auch viel Gehör. Als sein Lieblingskritikpunkt Thomas Bach zum IOC-Präsidenten gewählt wurde, forderte Harting alle Athleten auf, eigene Vorschläge für den freien Spitzenposten beim Deutschen Olympischen Sportbund zu machen. Doch es kam keiner, auch nicht von Harting. Ihm selbst werden ja derlei Ambitionen nach der Karriere nachgesagt, doch es fällt schwer, sich Harting als Sportdiplomaten vorzustellen.

Sebastian Vettel meinte nach seiner Niederlage in Baden-Baden, er müsse wohl auch anfangen, seine Sportkleidung zu zerreißen, um wieder Sportler des Jahres zu werden. Für die nd-Leser dürfte das kaum reichen. Von ihnen bekam Vettel nicht eine einzige Stimme.