Tödliche Tröpfchen aus Kläranlagen

Legionellen-Infektionen von Warstein weiter ungeklärt

  • Jörg Taron, Warstein
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kann sie nicht sehen, nicht riechen, nicht schmecken - aber Legionellen können lebensbedrohliche Erkrankungen auslösen. In Warstein (Nordrhein-Westfalen) erkrankten im August und September mehr als 160 Menschen an einer durch die Bakterien ausgelösten Lungenentzündung, zwei Infizierte starben. Auch nach mehr als einem Vierteljahr ist die Ursache der Erkrankungswelle noch nicht geklärt. Die Bakterien, die gefährlich werden können, wenn sie in winzigen Wassertröpfchen eingeatmet werden, wurden in Kläranlagen, in einem Fluss und in einer Industrie-Kühlanlage nachgewiesen. Die Experten wissen zwar, wie sich die Krankheit verbreitete, wo die Legionellen aber erstmals auftauchten, weiß niemand.

Glücklicherweise hatten die Ärzte des städtischen Krankenhauses schnell den richtigen Verdacht und damit auch die richtigen Medikamente verabreicht, so dass im Vergleich zu anderen Legionellen-Ausbrüchen verhältnismäßig wenig Menschen starben. Schnell stand die Industrie-Kühlanlage im Verdacht, die Krankheitserreger in winzigen Wassertröpfchen über der Stadt zu verbreiten. Nach dem Abschalten der Anlage dauerte es wegen der Inkubationszeit noch zwei Wochen, bis die Neuerkrankungen abflauten.

Klar scheint bislang lediglich, dass niemand fahrlässig oder vorsätzlich für das Entstehen und die Verbreitung der Krankheitserreger verantwortlich ist. Die Staatsanwaltschaft in Arnsberg hat bei ihren Ermittlungen bisher keine Hinweise darauf gefunden, dass jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.

Der wirtschaftliche Schaden war immens. Bürgermeister Manfred Gödde schätzt, dass er sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag summiert - durch Ausfälle in vielen Bereichen, bei Geschäften, Tourismus und Industrie etwa. Im September war auch die Montgolfiade, das größte Ballonfahrerfest Europas mit mehr als 100 000 erwarteten Besuchern wegen der Ansteckungsgefahr abgesagt worden.

Die Warsteiner Brauerei litt ebenfalls: Nachdem auch in deren Klärbecken die Bakterien nachgewiesen worden waren, ging der Verkauf spürbar zurück. Mittlerweile soll sich das Geschäft wieder erholt haben, Angaben zum aktuellen Geschäft oder zu den Umsatz-Einbußen durch die Legionellen macht das Unternehmen aber nicht. Man gehe davon aus, dass die Bakterien nicht in der eigenen Kläranlage entstanden sind, sondern sehe sich als eines der vielen Opfer, teilte die Brauerei mit.

Auch wenn noch unklar ist, wo die gefährlichen Bakterien ihre erste Brutstätte hatten, haben die Experten durch die Krankheitswelle in Warstein wichtige Erkenntnisse gewonnen. »Wir hatten bisher die Kläranlagen nicht so sehr im Blick«, sagt der Wasser-Experte Martin Exner vom Bonner Hygiene-Institut. Außerdem seien nun endlich deutlich verbesserte Vorschriften für die Wartung und Registrierung von industriellen Rückkühl-Anlagen auf dem Weg. »Diese Anlagen sind zumindest bei der Verbreitung der Bakterien beteiligt«, sagt Exner.

Nach dem Legionellen-Ausbruch in Warstein und dem Fund der Bakterien in den Kläranlagen der Stadt ließ das Land auch andere Kläranlagen untersuchen. Dabei wurden zeitweise auch in Kreuztal und Herford erhöhte Werte gemessen. Im kommenden Jahr will das Umweltministerium in Düsseldorf eine Expertenkommission einberufen, die sich noch einmal mit dem Legionellen-Ausbruch befassen soll. dpa/nd

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