Zwischenerfolg für Flüchtlinge vor Gericht

Israelische Regierung muss skandalöse Inhaftierungsanordnungen gegen Demonstranten zurücknehmen

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Israels Regierung wird wohl 180 seit zwei Wochen inhaftierte afrikanische Flüchtlinge frei lassen müssen. Bis jetzt wollte kein Richter die Haftanordnung bestätigen.

Am Ende scheint sich auch das Innenministerium nicht mehr so sicher gewesen zu sein. Nachdem zwei Wochen lang fast ein Dutzend gestandener Juristen einen Grund nach dem anderen zu Papier gebracht hatte, warum 180 Menschen für drei Monate in Haft sollten, weil sie demonstriert hatten, kam am Montagmorgen ein 25-jähriger Universitätsabsolvent nach Be›er Schewa, um vor dem dortigen Distriktgericht dafür zu plädieren, dass nun endlich ein Richter die von einem Beamten des Ministeriums verhängte Unterbringung der afrikanischen Flüchtlinge in einer geschlossenen Einrichtung bestätige. Die Argumentation: So sei es im Gesetz vorgesehen, und es stehe nicht im Ermessen von Gerichten, die Entscheidungen der Knesseth auszuhebeln - eine Ansicht, die das Gericht nicht teilt.

Nur eine Stunde später, ungewöhnlich schnell, meldete sich der Senat mit dem Urteil zurück, man könne auch dieses Mal keine Entscheidung fällen, weil es das israelische Pendant zur Prozessordnung nicht hergebe. »Es gibt keine Möglichkeit für uns oder sonst einen Richter, einen von der Verwaltung verhängten Freiheitsentzug zu bestätigen oder zu verwerfen.«

Vor zwei Wochen wurden die Flüchtlinge nach einer Demonstration in Jerusalem nicht in ein offenes Internierungslager gebracht, das wenigstens tagsüber verlassen werden darf, sondern für drei Monate in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen. Dies sieht das »Gesetz zu Verhinderung der illegalen Einwanderung« so vor. Allerdings ist darin auch vorgeschrieben, dass die Verwaltungsanordnung innerhalb einer Woche von einem Richter bestätigt werden muss - eine Woche der Odyssee durch die Gerichte des Landes: Der Haftrichter, das Distriktgericht, der Oberste Gerichtshof hatten sich alle für nicht zuständig erklärt und die Sache zum nächstuntergeordneten Gericht weitergeschickt, von wo sie wieder nach oben gesandt wurde.

»Ein Gericht hat nicht die Möglichkeit, Gesetze umzuschreiben, um andere Gesetze umsetzbar zu machen«, erklärten Distriktrichter am Montag und fügten hinzu, man solle in Jerusalem nun darüber nachdenken, ob man die Angelegenheit nicht beendet und die Leute freilässt. Eine Rechtsgrundlage gebe es jedenfalls nicht.

Eine Aussage, die auch für die Flüchtlinge im offenen Internierungslager in gleich mehrfacher Hinsicht einen Hoffnungsschimmer bedeutet. Gerade am Wochenende hatten wieder viele von ihnen das Lager verlassen, um zu demonstrieren; auch mehrere hundert Israelis waren gekommen. Nun können die Afrikaner darauf hoffen, dass dies frei von Konsequenzen bleibt.

Darüber hinaus besteht nun auch die Möglichkeit, dass der Oberste Gerichtshof das Gesetz ganz kassiert. Denn dort haben Menschenrechtsorganisationen einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen den Paragraphen gestellt. Und das Gegenargument der Regierung ist dasselbe wie das am Montag vor dem Dis᠆triktgericht. Zudem hatten die Höchstrichter schon die Vorgängerversion des Gesetzes für ungültig erklärt. Darin war vorgesehen, dass Ausländer, die sich illegal in Israel aufhalten, für bis zu drei Jahre in einer geschlossenen Einrichtung festgehalten werden können. Dies widerspreche dem »rechtsstaatlichen Grundsatz des Richtervorbehaltes«, hatten die Richter damals dagegen gehalten. Als Konsequenz wurde dann das offene Lager eingerichtet. »Eine solche Einrichtung entspricht im Großen und Ganzen der Unterbringung, wie sie auch in Europa Standard ist«, begründet ein Sprecher des Innenministeriums den Schritt. Nur: In der israelischen Einrichtung müssen sich die Bewohner drei mal am Tag melden; die Bewegungsfreiheit ist damit erheblich eingeschränkt.

Doch auch wenn es damit demnächst vorbei sein könnte, dräut allen jenen, die ein Visum haben oder es derzeit noch bekommen könnten, neuer Ärger: Das israelische Innenministerium hat am Montag verschärfte Regeln für die Vergabe von Einreisevisa an afrikanische Flüchtlinge eingeführt.

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