Mit dem Helikopter aus dem Eis

Alle Passagiere des in der Antarktis festsitzenden Schiffs gerettet

  • Lesedauer: 2 Min.
Erst neun Tage Warten im Polareis, dann Bangen um die Tragfähigkeit der Eisdecke: Dann steigt die Rettungsaktion in der Antarktis. Nach Hause können die Passagiere aber noch lange nicht.

Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen sind die Passagiere des seit Heiligabend in der Antarktis festsitzenden russischen Forschungsschiffs »Akademik Schochalskij« gerettet worden. Die 52 Passagiere seien per Hubschrauber zu dem australischen Eisbrecher »Aurora Australis« geflogen worden, teilte die australische Schifffahrtsbehörde AMSA mit. Expeditionsleiter Chris Turney zeigte sich erleichtert.

Die Geduld der 52 Wissenschaftler, Journalisten und Touristen sowie 22 Besatzungsmitglieder an Bord der »Akademik Schochalskij« war auf eine harte Probe gestellt worden: In den vergangenen Tagen gelang es Eisbrechern aus Australien, China und Frankreich nicht, sich einen Weg zu dem Schiff zu bahnen. Am Mittwoch hinderten Sturm und Regen dann die geplante Rettung per Hubschrauber. Auch am Donnerstag verzögerte sich zunächst der Start des zum chinesischen Eisbrecher »Xue Long« gehörenden Helikopters.

Wer trägt die teure Bergung?

Aufgekratzt wie Kinder auf Klassenfahrt gingen die Teilnehmer der Antarktis-Expedition am Donnerstag von Bord zum Helikopter. Jetzt kommen ragen: Wer zahlt für die Rettung? War der Ausflug nötig? War er gar fahrlässig? Australische Medien schätzen den Preis für die Rettungsaktion der Wissenschaftler und Touristen auf mehrere Millionen Dollar. Kosten für Such- und Rettungsaktionen werden laut Statut der australischen Seesicherheitsbehörde zwar getragen. Das dürfte aber nicht mögliche Forderungen der Eigner der zur Hilfe herbeigeeilten Eisbrecher einschließen.

Das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See verpflichtet Schiffe auf hoher See, auf Notrufe sofort zu reagieren. In der Regel kann der Eigner des in Not geratenen Schiffes später zur Kasse gebeten werden. Die »Shokalskiy« fährt unter russischer Flagge.

Drei Eisbrecher hatten seit Heiligabend ihren Kurs geändert, um der »Akademik Shokalskiy« zur Hilfe zu eilen. »Snow Dragon« aus China und »Aurora Australis« mussten ihre eigentliche Arbeit tagelang unterbrechen. Allein die »Aurora« schlägt mit 40 000 Euro Kosten zu Buche - pro Tag. Die Schiffe waren zudem auf wichtigen Einsätzen unterwegs. Die »Aurora« war dabei, Nachschub und wissenschaftliche Geräte an der Antarktisstation Casey auszuladen, als der Notruf kam. Sie brach die Entladung ab und eilte zum Noteinsatz. Wegen der Wetterverhältnisse können Eisbrecher die Forschungsstationen nur im kurzen antarktischen Sommer anfahren. Dabei zählt jeder Tag. dpa/nd

 

Die Passagiere wurden in Gruppen von bis zu zwölf Personen transportiert. Rund fünf Stunden, nachdem Expeditionsleiter Turney den Beginn der Bergung verkündet hatte, erklärte AMSA, alle Passagiere seien an Bord der »Aurora Australis« angekommen. Weitere Flüge waren nötig, um Ausrüstung und Gepäck vom russischen Schiff zu holen.

Turney drückte im Kurznachrichtendienst Twitter seine »große Erleichterung« über die gelungene Rettung aus: »Wir sind sicher auf der ›Aurora Australis‹ angekommen«, schrieb er. »Ein riesiges Dankeschön an die Chinesen und die Antarktis-Abteilung der australischen Regierung für ihre harte Arbeit.« Turney hatte zuvor auf Twitter Videoaufnahmen der Bergungsaktion veröffentlicht. Dort sind die Besatzungsmitglieder der »Xue Long« in orangefarbenen Overalls zu sehen, wie sie aus dem Hubschrauber steigen und über das Packeis laufen. Außerdem sieht man, wie Passagiere zum Hubschrauber gehen und dieser startet.

Der »Sydney Morning Herald«, der eine Reporterin an Bord des russisches Schiffes hatte, berichtete von der Erleichterung unter den Geretteten. Eine Frau sagte: »Es war eine emotionale Achterbahn.« Bis sie wieder festen Boden unter den Füßen haben, müssen sich die Passagiere noch einige Wochen gedulden: Auf der Reise nach Australien muss die »Aurora« an der australischen Forschungsstation Casey Antarctic Base auftanken. Die 22 Besatzungsmitglieder der »Akademik Schochalskij« bleiben an Bord, bis das Eis bricht und das Schiff eigenständig fahren kann.

Während des Wartens auf Hilfe hatten sich die Passagiere die Zeit mit Spaziergängen über Packeis, Spielen und Kursen für Erste Hilfe vertrieben. Sie nahmen auch ein Video auf, in dem sie ein Lied über ihr Abenteuer sangen. Außerdem schalteten sie sich per Video live zu der Silvesterfeier auf dem New Yorker Times Square. Die Passagiere hatten sich mit ihrer Reise auf die Spuren des australischen Forschers Sir Douglas Mawson und dessen Antarktis-Expedition 1911-1914 begeben. AFP/nd

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