nd-aktuell.de / 04.01.2014 / Politik / Seite 7

Todesschüsse in Phnom Penh

Streiks und Proteste eskalieren / Regierungssprecher beklagt »Rebellion«

Daniel Kestenholz, Bangkok
Nach anhaltendem Oppositionsprotest gegen Premier Hun Sen verschärfte sich am Freitag die Lage in Kambodscha: Polizisten schossen auf streikende Textilarbeiter, mindestens drei Menschen starben.

In einem Industriegebiet der Hauptstadt Phnom Penh hatten militante Kräfte unter den Textilarbeitern, die eine Verdoppelung des Mindestlohns von derzeit 80 Dollar im Monat fordern, am Freitagmorgen rund 200 angerückte Sicherheitskräfte mit Macheten, Brandflaschen und Steinen angegriffen, eine Klinik in Brand gesteckt und Straßen mit brennenden Reifen blockiert. Militärpolizisten schossen daraufhin mit Sturmgewehren in die Menge, mindestens drei Demonstranten starben, rund zwei Dutzend wurden verletzt, darunter eine 28-jährige Schwangere, die unbeteiligt in die Schusslinie geriet.

Der Protest der Textilarbeiter ist Teil der größeren Protestwelle gegen den langjährigen Regierungschef Hun Sen und seine Kambodschanische Volkspartei. Diese Proteste begannen nach den Parlamentswahlen im Juli, bei denen die Volkspartei erhebliche Einbußen erlitt und nur knapp gewann. Laut Opposition verdankte Hun Sen diesen Sieg nur massivem Wahlbetrug. Die unterlegene Nationale Rettungspartei beanspruchte ihrerseits die Parlamentsmehrheit, boykottiert die Nationalversammlung seit ihrer Konstituierung und verlangt Neuwahlen. Ein für Freitag geplantes Gespräch mit Regierungsvertretern sagte die Rettungspartei nach der Zuspitzung der Lage durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte ab.

Seit fast drei Jahrzehnten an der Regierungsspitze, hatte Hun Sen bisher noch jeden Herausforderer abzuwehren vermocht. Von den einst unbequemen Royalisten ist nichts mehr zu hören. Hun Sens schärfster Kritiker, Oppositionsführer Sam Rainsy, der lange Zeit im Exil verbrachte, schien unter Kontrolle zu sein. Jetzt fragt der Regierungschef verwundert: »Mich zum Rücktritt auffordern - was habe ich falsch gemacht?«

Vor den Juliwahlen hatte er Sam Rainsy auch auf Druck ausländischer Geldgeber eine Amnestie gewährt. Seither jedoch mobilisiert Rainsy die Massen und ernennt alle zu Helden, die im Kampf gegen den Regierungschef hinter Gittern enden. Für Sonntag wurde eine weitere Massendemonstration angekündigt, um die Volkspartei von der Herrschaft über Politik, Polizei, Militär, Justiz und die meisten Medien zu verdrängen. Regierungssprecher Phay Siphan rechtfertigte das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte am Freitag mit den Worten: »Ihre Arbeit ist es, die Nation zu schützen. Das war keine Demonstration, das ist eine Rebellion.«