»Hier passiert die Welt«

Viele Städte haben inzwischen einen Stadtslogan - bisweilen etwas hoch gegriffen, manchmal schwer verständlich

  • Antonia Lange, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Die einen »leben im Quadrat«, die anderen »baden in Ideen«: Wenn es um ihre Slogans geht, lassen sich deutsche Städte allerlei einfallen. Doch nicht jeder Marketingslogan kommt gut an.

Die meisten größeren Städte in Deutschland haben ihn - den eigenen Slogan. Mal werden einzigartige Sehenswürdigkeiten versprochen, mal sogar Zuneigung. Von »München mag dich« bis »Kiel - Sailing City« werben Städte von Süd bis Nord mit ihren Vorzügen. Das kann aber auch schiefgehen.

»Das Gefühl, dass immer mehr Städte das anwenden, ist nicht ganz falsch«, sagt Bernd Radtke. Er ist Autor des Buches »Stadtslogans zur Umsetzung der Markenidentität von Städten« und hat die Angaben von 270 deutschen Städten ausgewertet. Er ist überzeugt: Jede Stadt ist eine Marke.

»Lohne lohnt sich« verspricht etwa die niedersächsische 26 500-Einwohner-Stadt selbstbewusst. Aber stimmt das auch? Na klar, beteuert Stadtsprecher Christian Tombrägel. »Wir sind ein starker Wirtschaftsstandort und haben fast keine Arbeitslosigkeit.« Aber warum braucht Lohne dann überhaupt einen Slogan? »Wir sind daran interessiert, von der Stadt ein positives Image zu vermitteln«, sagt Tombrägel. »Weil wir nicht mit großen Bauwerken oder historischen Schlachten punkten können, müssen wir auf anderem Wege auf uns aufmerksam machen.«

Manche Städte sorgen bei dem Versuch aber durchaus für Verwirrung, berichtet Experte Radtke. Mannheim wirbt etwa mit dem Slogan »Leben im Quadrat«. Im Grunde sei das passend für die Stadt, deren Grundriss in Quadrate geteilt ist. Ortsfremde könnten mit dem Spruch unter Umständen aber nur wenig anfangen. Eigentlich müsse ein guter Slogan »für Einwohner als auch für Touristen ansprechend sein«.

Ähnlich schwierig sei das bei der Stadt Rendsburg in Schleswig-Holstein. Ihr Slogan: »Hier passiert die Welt.« Wer nicht aus der Region komme, habe womöglich Schwierigkeiten, die Verbindung zum angrenzenden Nord-Ostsee-Kanal herzustellen. Völlig über den Kopf der Einwohner hinweg dürfe ein Slogan auch nicht entwickelt werden: »Die Einwohner machen die Stadt aus«, sagt Radtke. »Insofern müssen sie auch hinter dem Slogan stehen.« Schwierig war das ausgerechnet für die Hauptstadt - zumindest am Anfang. Bei einer Umfrage unter Berlinern sagten damals 60 Prozent, die Kampagne »be Berlin« sei schlecht. Dabei richtet sie sich vor allem an die Bewohner selbst, wie die Macher erklären. Die Strategie: Wer sich mit seiner Stadt identifiziert, strahlt das auch im Kontakt mit Besuchern aus. Drei Millionen Euro jährlich lässt sich der Berliner Senat die Kampagne kosten. Die meisten denken bei der Hauptstadt aber wohl eher an deren inoffiziellen Slogan: »Arm, aber sexy.«

Rund 70 Prozent der befragten Städte hatten einen eigenen Slogan, viele andere planten oder erarbeiteten gerade einen. Am häufigsten fanden sich die Stadtslogans auf Broschüren oder Flyern, gefolgt vom Internetauftritt der Stadt. Von den teilnehmenden Städten schnitt der Slogan von Passau bei Probanden am besten ab. Er lautet »Leben an drei Flüssen.« Im Gesamturteil hinten: »Taunusstein hat›s.«

»Einwohner wollen in aller Regel, dass eine gewisse Vielfalt transportiert wird«, erklärt Radtke. »Externen reicht eine klare Botschaft.« Schmerzlich musste das jüngst auch die Stadt Karlsruhe erfahren: Sie wollte ihren Slogan »Viel vor. Viel dahinter« in »Karlsruhe - baden in Ideen« umwandeln. Das jedoch war keine so gute Idee: Die Bewohner gingen auf die Barrikaden und verhinderten ihn.

Karlsruhes Stadtsprecherin kann der Schlappe aber durchaus etwas Positives abgewinnen: »Das Beste, was einer Stadt und ihrem Slogan passieren kann, ist, dass man darüber spricht«, sagt sie. Derzeit würden auch die Schilder mit dem alten Claim abgebaut. »Karlsruhe braucht keinen mehr.«

Tatsächlich hat auch nicht jede Stadt einen Werbespruch nötig. Hamburg sei beispielsweise so stark als Marke, dass sie auf ihre Vorzüge gar nicht mehr aufmerksam machen müsse, sagt Radtke. Und noch etwas spreche gegen den eigenen Werbespruch: »Lieber kein Slogan als ein schlechter Slogan.« dpa/nd

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