Politischer Personenschaden und ein Abstellgleis

Ist Pofalla durch die Diskussion um seinen möglichen Bahn-Posten erledigt? Und wie lange sollen Politiker warten, bis sie in die Wirtschaft gehen?

Hitzig wird weiter um Ronald Pofallas berufliche Zukunft sowie über Karenzzeiten bei einem Wechsel von Politikern in die Wirtschaft diskutiert.

Berlin. »Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen. Ich kann deine Scheiße nicht mehr hören.« Das soll der ehemalige Chef des Kanzleramtes Ronald Pofalla dereinst zu seinem CDU-Parteikollegen Wolfgang Bosbach gesagt haben. Und da dem Aberglauben nach alles Schlechte irgendwann einmal zu einem zurück kommt, wird sich Pofalla derzeit vielleicht wünschen, damals etwas freundlicher gewesen zu sein. Von seiner CDU jedenfalls erhält er im Augenblick keine Rückendeckung. Weder von der Basis noch von ganz oben. Im Gegenteil. Der CDU-Kreisverband Kleve etwa verlangt von Pofalla klare Aussagen zu seinen Plänen. Bei der Bundestagswahl hatte er das Direktmandat für den Kreis Kleve gewonnen. Gibt er es auf, wäre es für den Kreis verloren. Laut der stellvertretenden CDU-Kreisvorsitzenden Maria Ingenerf herrsche deshalb bei vielen CDU-Mitgliedern »Missmut«.

Deutlich ist auch die Zurückhaltung an der CDU-Spitze, die sich nicht gerade engagiert für Pofalla ins Zeug legt. Dieser wird im Netz ob seines peinlichen Auftretens zu Beginn des NSA-Skandals nun im Bahn-Kontext verspottet. Pofalla könnte in der Debatte nun zum politischen Personenschaden werden. Dass er am Ende tatsächlich für die Besetzung des Bereichs »Wirtschaft, Politik und Regulierung« bei der Bahn vorgeschlagen wird, scheint mit zunehmender Dauer des Konflikts zumindest fraglich.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft warnt bereits vor einem Imageschaden für die Bahn. »Die Diskussion bringt nur weitere Unruhe und möglicherweise Beschädigung dieses Unternehmens«, sagte EVG-Vize und Bahn-Aufsichtsratsmitglied Klaus-Dieter Hommel dem Bayerischen Rundfunk. »Man sollte dieses Affentheater endlich beenden.«

Auch darüber, wie in Zukunft mit Übertritten aus der Politik in die Wirtschaft umgegangen werden soll, wie lange Politiker praktisch auf einem Abstellgleis warten müssen, bis sie einen Posten annehmen dürfen, wird diskutiert. SPD-Fraktionsvize Eva Högl strebt angesichts des Handlungsbedarfs eine Vereinbarung noch im ersten Quartal dieses Jahres an, erneuerte gegenüber der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« jedoch ihre Forderung nach einer Selbstverpflichtung der Regierung. Högl will einen verbindlichen Verhaltenskodex, nicht jedoch ein Gesetz. Man komme da schnell »in den Bereich von Berufsverboten«.

Auf das Problem der Rückkehr ins Berufsleben macht auch die LINKE-Politikerin Halina Wawzyniak aufmerksam. In ihrem Blog schreibt die Bundestagsabgeordnete, eine Karenzzeit, die über die Bezugsdauer von Übergangsgeld nach Ausscheiden aus einem Regierungsamt hinausgeht, »bedeutet ja für die Betroffenen im schlimmsten Fall ein Verbot, einen Job anzunehmen und ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen«. Hier müssten jene, die eine lange Karenzzeit fordern, erklären, wie sie dieses Problem lösen wollen.

Die Grünen wollen in der kommenden Woche einen Gesetzesantrag in den Bundestag einbringen, der eine dreijährige Sperrzeit für wechselwillige Spitzenpolitiker vorsieht. Mit Agenturen

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