Merkel gibt Rechtspopulismus der CSU nach

Bundesregierung will angeblichen Sozialmissbrauch durch Ausschuss von Staatssekretären klären

  • Guido Speckmann
  • Lesedauer: 2 Min.
»Wer betrügt, der fliegt«: Die Kampagne der CSU hat Erfolg. Jetzt beschäftigt sich ein Ausschuss von Staatssekretären mit der »Armutszuwanderung«, die es Studien zufolge gar nicht gibt.

Die heftige öffentliche Kritik an der von der CSU losgetretenen Debatte über eine angebliche Armutszuwanderung verhallte ungehört. Die Partei verabschiedete auf ihrer Klausur in Wildbad Kreuth förmlich das umstrittene Papier, das die »Zuwanderung in unsere sozialen Sicherungssysteme« ablehnt. Das war zu erwarten gewesen. Dass jedoch die Bundesregierung am Mittwoch einen Ausschuss von Staatssekretären zu dieser Frage einsetzte, kommt etwas überraschend.

Wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte, solle das Gremium klären, ob und welche operativen gesetzgeberischen Maßnahmen getroffen werden können, um einen möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Einwanderer aus EU-Ländern zu unterbinden. Für Menschen aus Bulgarien und Rumänien gilt seit Jahresanfang die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU - offensichtlicher Anlass der CSU für ihre Kampagne. Die Federführung in dem Ausschuss übernehmen das Arbeits- und das Innenministerium des Bundes. Seibert zufolge soll die Arbeit im Juni erledigt sein, Zwischenergebnisse könne es aber auch schon vorher geben.

Man darf gespannt sein, inwieweit sich diese dann von jenen Forschungsergebnissen unterscheiden, die bereits vorliegen. So haben zum Beispiel Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit gezeigt, dass sich die These von der Zuwanderung in die Sozialsysteme nicht belegen lässt - worauf in der Debatte der vergangenen Tage auch immer wieder hingewiesen wurde. Erst am Mittwoch forderte die Diakonie Deutschland eine sachliche Diskussion statt antieuropäischer Ressentiments. Ihr Präsident Johannes Stockmeier sagte: »Einwanderer zahlen deutlich mehr Steuern und Sozialversicherungen als sie Sozialleistungen beziehen.«

Nur ein Zufall, aber ein interessanter: Am Mittwoch teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit, dass die Einwohnerzahl in Deutschland zum dritten Mal in Folge gestiegen sei. Knapp 80,8 Millionen Menschen lebten 2013 in der Bundesrepublik. Der Grund: die weiter steigende Zahl der Zuwanderer. Nach Ansicht sämtlicher Wirtschaftsverbände ist gerade diese notwendig, um den derzeitigen Lebensstandard aufrechtzuerhalten.

Doch die Bundesregierung kennt ihre Deutschen: Einer Forsa-Umfrage zufolge finden 60 Prozent die Angst vor sogenannter Armutszuwanderung berechtigt, 36 Prozent halten dies für übertrieben. Damit lässt sich gerade vor Wahlen Politik machen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, kritisierte, mit dem Ausschuss würde »ein Resonanzboden für das rechtspopulistische Getöse der CSU geschaffen«. Die LINKE-Innenexpertin Ulla Jelpke sagte, der Ausschuss behandele die falschen Fragen. Die Regierung bestätige mit diesem Schritt den Generalverdacht gegen Rumänen und Bulgaren. Seiten 4, 6 und 8

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