Koste es, was es wolle

Alexander Ludewig über die FIFA-Pläne der Winter-WM 2022

  • Lesedauer: 3 Min.

Jérôme Valcke soll mit seiner Ankündigung, dass die Fußball-WM 2022 in Katar im Winter stattfinden wird, sogar seinen Arbeitgeber überrascht haben. Jedenfalls ließ der Fußballweltverband ausrichten, Generalsekretär Valcke habe nur seine ganz persönliche Meinung geäußert.

Wenn überhaupt, dann überrascht allein der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Nachricht – zumindest hierzulande. Die Bundesliga pausiert, im Fokus stehen lediglich allerlei Wechselspiele. Also eigentlich Zeit genug, den derzeit torlosen Raum im empörungswilligen Fußball-Deutschland mit Kritik an der FIFA zu besetzen. Theo Zwanziger, ehemaliger DFB-Präsident und jetziges Mitglied im Exekutivkomitee des Weltverbandes, war schließlich schon immer ein Gegner der WM im Wüstenstaat! Und nicht zuletzt waren es deutsche Verbandsfunktionäre, die nach Bekanntwerden des Ausmaßes der Bestechlichkeit der FIFA durch ihren Vermarktungspartner ISMM/ISL im Sommer 2012 als erste den Rücktritt des FIFA-Präsidenten gefordert hatten.

Doch im Staate des Joseph Blatter gelten eigene Gesetze. Die Aufregung der Deutschen vor anderthalb Jahren konterte der Schweizer mit Andeutungen über eine unsaubere Vergabe der WM 2006 nach Deutschland. Diskussion erledigt. Auf die Unterstützung Zwanzigers kann sich Blatter seit jeher verlassen, als Alibi-kritisches Element im Exekutivkomitee ist ihm der deutsche Theo recht hilfreich. Wie Jérôme Valcke. Der Generalsekretär ist aber eher Blatters Mann fürs Grobe. Als der Fußballweltverband 2006 in New York zu einer Entschädigungszahlung von 60 Millionen Euro wegen Vertragsbruch gegenüber einem Sponsoringpartner verurteilt wurde, war es der damalige FIFA-Marketingchef Valcke, der die Schuld auf sich nahm und zugab, vor Gericht gelogen zu haben. Der skrupellose Franzose wurde entlassen, um ein Jahr später von Sepp Blatter als Generalsekretär wieder in der FIFA-Familie begrüßt zu werden.

Jetzt hat Valcke die Diskussion um die WM 2022 auf eine neue Stufe gehoben – als Generalsekretär der FIFA, nicht als Privatperson! Denn Blatters Ziel war es, die Weltmeisterschaft nach Katar zu holen; und Blatters Ziel ist es, das Turnier auch dort auszutragen. Koste es, was es wolle. Jegliche Unterstützung aus dem schwerreichen Emirat ist ihm gewiss. Dabei hilft es ungemein, dass der Fußball nun über den Zeitpunkt der WM diskutieren muss. Und nicht mehr über Menschenrechtsverletzungen oder Korruptionsvorwürfe bei der 
Vergabe des Turniers.

Unmenschlich sind jetzt nicht mehr die Arbeitsbedingungen für Gastarbeiter auf Katars WM-Baustellen. Unmenschlich ist es jetzt, Fußballprofis und Fans aus aller Welt einen Monat lang Temperaturen um die 50 Grad Celsius auszusetzen. Dass dies bei der Abstimmung Anfang Dezember 2010 ein unbekannter Faktor war, darf bezweifelt werden. Dass dennoch 14 der damals 22 abstimmenden Mitglieder des 
Exekutivkomitees für Katar votierten, hat also andere Gründe.

Egal, mit ernst gemeintem Widerstand aus Deutschland ist eh nicht mehr zu rechnen. Ein 
führender Fußballfunktionär 
wie Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München und Vorsitzender der Vereinigung europäischer Fußballklubs ECA, schwärmt schon seit längerem von einem neuen Spielplan. Dort könne man Termine für nationale Ligen, internationale Klubwettbewerbe und die Nationalmannschaften wie in einem »Lego-System« hin- und herschieben.

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