Umstrittene Aktion gegen Werksschließung

Die Belegschaft von Goodyear im französischen Amiens hält aus Protest die Chefs fest

  • Lesedauer: 3 Min.
Eine stinkwütende Belegschaft hält ihre Chefs über einen Tag lang fest. Beim Reifenhersteller Goodyear in Amiens kämpfen die Arbeiter um eine bessere Abfindung nach der Werksschließung

Amiens. Aus Protest gegen die geplante Schließung einer Goodyear-Reifenfabrik in Nordfrankreich haben Arbeiter zwei Manager des Werks knapp 30 Stunden lang gefangen gehalten. Auf Druck der Polizei kamen der Produktionsleiter und der Personalleiter des Werks in der Stadt Amiens am Dienstagnachmittag wieder frei. Die Gewerkschaft CGT kündigte aber an, die Fabrik zu besetzen, um Abschiedsprämien für entlassene Arbeiter zu erzwingen.

Die beiden Manager verließen eskortiert von Polizisten die Fabrik, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Sie waren dabei von zahlreichen protestierenden Arbeitern umringt. Der zuständige Präfekt erklärte, den Polizeieinsatz angeordnet zu haben, um die Manager zu befreien.

»Wir hätten uns mit der Polizei prügeln können, dann hätten wir alle eine Gefängnisstrafe riskiert«, sagte CGT-Vertreter Mickaël Wamen. Es sei daher entschieden worden, die Männer gehen zu lassen. Während nahe der Fabrik nur zwei Mannschaftswagen der Polizei zu sehen waren, waren nach Gewerkschaftsangaben in der Gegend 24 Wagen stationiert.

Von der Entlassung bedrohte Arbeiter hatten die Manager am Montagvormittag festgesetzt. Sie protestierten damit gegen die geplante Schließung der Fabrik, die 1173 Arbeiter ihren Job kosten könnte, und wollten für die Belegschaft bessere Bedingungen erreichen. Die Leitung von Goodyear Frankreich hatte am Dienstagvormittag betont, keine Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern zu führen, solange die beiden Manager in der Gewalt der Arbeiter seien.

In Frankreich kommt es immer wieder vor, dass die Belegschaft bei Arbeitskämpfen Manager für mehrere Stunden oder sogar Tage festsetzt. Mit Blick auf die Festsetzung der beiden Goodyear-Manager sprach der Unternehmerverband Medef am Dienstag von »inakzeptablen Praktiken«. Der Chef der Gewerkschaft Force Ouvrière, Jean-Claude Mailly, sagte im Sender Radio Classique, es sei »nicht die richtige Methode«. Der Vorfall in Amiens sei aber »auch kein Drama«.

Die CGT will jetzt die Fabrik besetzt halten. »Wenn sie ihre Reifen zurück haben wollen, dann müssen sie verhandeln«, sagte CGT-Vertreter Mickaël Mallet. »Das ist ein Druckmittel, wir werden nicht die Fabrik zerstören.«

Der Streit um die Schließung des Reifenwerks sorgt seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen, unter anderem wegen heftiger Proteste und Plänen zur Rettung der Fabrik. Über die Grenzen Frankreichs hinweg wurde das Werk unter anderem deswegen bekannt, weil der Chef des US-Reifenkonzerns Titan, Maurice Taylor, ein Angebot der französischen Regierung zur Übernahme der Fabrik zu einer hämischen Kritik am Wirtschaftsstandort Frankreich nutzte. Taylor sprach in einem Brief von den »sogenannten Arbeitern« in dem Werk, die höchstens »drei Stunden« am Tag arbeiten würden.

Am Dienstag goss Taylor weiter Öl ins Feuer. Im Radiosender Europe 1 auf das Festsetzen der Goodyear-Manager angesprochen, sagte er: »In den USA würden wir das Kidnapping nennen. Diese Leute würden festgenommen und vor Gericht gestellt. Das ist ein schweres Verbrechen, dafür gibt es lebenslange Haft. Aber ihre Regierung in Frankreich macht nichts, das erscheint verrückt.« AFP

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