nd-aktuell.de / 10.01.2014 / Politik / Seite 16

Dauerthema Leiharbeit vorm Kadi

Urteile des Bundesarbeitsgerichts 2013

Marcus Schwarzbach

Rechtsfragen sind Machtfragen - das verdeutlicht auf eigene Art die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Leiharbeit im vergangenen Jahr. Denn seitdem etwa die IG Metall in Tarifverhandlungen offensiv gleiche Rechte für Leiharbeiter einfordert und die Gleichbezahlung mit regeln will, ändern auch die Erfurter Richter ihre Positionen. Zumindest teilweise, wie ein Rückblick auf die Entscheidungen 2013 zeigt.

Das oberste deutsche Arbeitsgericht hatte im März seine eigene Rechtsprechung mit einer bahnbrechenden Entscheidung gekippt: Die in einem Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer sind bei der Größe des Betriebsratsgremiums einzubeziehen. In dem entschiedenen Verfahren ging es um einen Betrieb, in dem zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl regelmäßig 879 Stammarbeitnehmer und 292 Leiharbeitnehmer beschäftigt waren. Nach dem Urteil hätte ein 15-köpfiger statt 13-köpfiger Betriebsratsrat gewählt werden müssen. Da in 2014 bundesweit Betriebsratswahlen anstehen, eine wichtige Entscheidung, denn mitwählen dürfen Leiharbeitnehmer auch im Entleiherbetrieb schon seit Jahren.

Eine wichtige Entscheidung im Kampf gegen den Missbrauch von Leiharbeit traf das BAG im Juli: Betriebsräte können danach die Zustimmung zur Einstellung von Leiharbeitern verweigern, wenn deren Einsatz im Betrieb nicht nur vorübergehend erfolgen soll.

Hintergrund ist eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes aus dem Jahr 2011. Seitdem dürfen Leiharbeiter nur noch »vorübergehend« eingesetzt werden. Viele Unternehmen interpretieren den Begriff jedoch sehr eigenmächtig. Da sich Leiharbeiter aus Angst vor Jobverlust kaum trauen, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen, haben nun Betriebsräte Handlungsmöglichkeiten, wenn Stammarbeitsplätze mit Leiharbeitern besetzt werden sollen.

So weit zu positiven Entscheidungen. Denn ausgerechnet am internationalen Tag der Menschenrechte 2013 fällte das Bundesarbeitsgericht ein Urteil, das ein herber Rückschlag beim Kampf um Rechte von Leiharbeitern ist. Zu klären war die Frage: Was geschieht, wenn ein Leiharbeiter statt der gesetzlichen »vorübergehenden« Tätigkeit dauerhaft über Jahre in einem Betrieb eingesetzt wird? Mehrere Landesarbeitsgerichte hatten entschieden, dass die Leiharbeit in so einem Fall in ein festes Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher umwandelt.

Anders das Bundesarbeitsgericht: Auch ein Leiharbeitnehmer, der dauerhaft in einem Betrieb eingesetzt wird, bleibe ein Leiharbeitnehmer. Die Richter begründen die Entscheidung damit, dass der Gesetzgeber angeblich bewusst keine Sanktion für dieses gesetzwidrige Verhalten vorgesehen habe. Ignoriert wird eine Leiharbeitsrichtlinie der EU, nach der Mitgliedsstaaten für Verstöße gegen ihre Gesetze zur Leiharbeit »abschreckende« Sanktionen vorsehen sollen. Die Juristen verweisen auf die Politik, die gefordert sei - das neue Jahr wird zeigen, wie weit eine im Koalitionsvertrag angekündigte Neuregelung der Leiharbeit gehen wird - und ob sie den Betroffen in der Praxis weiter hilft.