Magdeburg versucht die Blockade

Ein neues Bündnis will dem am 18. Januar geplanten Naziaufmarsch »Meilensteine« in den Weg legen

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch in Magdeburg versuchen Nazis, die Jahrestage der Kriegszerstörung zu vereinnahmen. Die Stadt wehrt sich mit einer »Meile der Demokratie«, und ein neues Bündnis hofft auf erfolgreiche Blockaden.

Heute Nachmittag wird Probe gesessen. Ab 15 Uhr soll auf dem Platz vor dem Magdeburger Hauptbahnhof geübt werden, wie sich eine Straße blockieren lässt. Mit dem öffentlichen »Blockadetraining« und einer für den Abend geplanten Einweisung in das »Demo-ABC« beginnt für das Netzwerk »Block MD« die heiße Phase der Vorbereitungen auf den 18. Januar.

An diesem Tag werden in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt erneut Hunderte Nazis erwartet. Eine »Initiative gegen das Vergessen« lädt wie jedes Jahr seit 1998 zur Demonstration, mit der die rechte Szene das Gedenken an die Zerstörung der Stadt vor 69 Jahren zu vereinnahmen sucht. Am 16. Januar 1945 war Magdeburg bombardiert worden. 2500 Menschen starben, 60 Prozent der Innenstadt wurden zerstört. Die Nazis sehen darin nicht eine Folge des vom NS-Regime entfesselten Krieges, sondern einen Beleg für einen angeblichen »Bombenholocaust«.

Die Stadt tritt den geschichtsrevisionistischen Thesen offensiv entgegen. Der SPD-Oberbürgermeister Lutz Trümper verurteilt Versuche, das Gedenken für eine »antidemokratische und fremdenfeindliche Gesinnung« zu nutzen, und kündigt »friedlichen und vielfältigen Protest« an. Er lädt zur Teilnahme an der »Meile der Demokratie« ein, die zum sechsten Mal stattfindet und bei der Vereine, Initiativen, Parteien, Kirchen und Gewerkschaften die Stadt als bunt, offen und tolerant präsentieren wollen.

Die »Meile« entstand einst mit dem Hintergedanken, zentrale Plätze wie den Breiten Weg zu besetzen und den Naziaufmarsch im Stadtzentrum zu verhindern. Allerdings vermochte sie es nicht, die Braunen gänzlich aus der Stadt fernzuhalten; zu den Aufmärschen, die in der Szene als Generalprobe für die Demonstration in Dresden zum 13. Februar gelten, kamen oft mehr als 1500 Teilnehmer. 2013 gelang es immerhin 900 Nazis, im Schutz eines großen Polizeiaufgebots im Ortsteil Salbke zu demonstrieren.

Schon damals gab es Versuche, eine in Dresden bewährte Taktik zu adaptieren und den Aufmarsch zu blockieren. Dazu hatte sich ein Bündnis »Magdeburg nazifrei« gegründet und bundesweit mobilisiert. Die Präsenz von etlichen tausend Demonstranten führte immerhin dazu, dass die Nazis an den Stadtrand verdrängt wurden. Allerdings sorgten Kontroversen rund um das Bündnis dafür, dass die Beteiligung geringer als erhofft ausfiel. Etliche Magdeburger Akteure gehen auf Distanz zum Bündnis, weil dieses sich abfällig über die »Meile« und das »Bündnis gegen Rechts« als deren Organisator äußerte. Die überregionale Antifaszene wiederum stößt sich daran, dass im »Nazifrei«-Bündnis auch eine Gruppe präsent ist, die in der Vergangenheit teils gewaltsam gegen Linke vorging, die antideutsch oder mit Israel solidarisch sind.

Das neu gegründete »Block MD«-Bündnis hofft, dieses Dilemma überwinden zu können. Es richtet sich an Menschen, denen die Meile im Stadtzentrum als Form des Protestes nicht genügt, und propagiert offen friedliche Blockaden: Man halte diese für ein »legitimes Mittel der Auseinandersetzung«, heißt es in einem Aufruf. Unterschrieben hat diesen neben LINKEN und Grünen, DGB und Studentenräten auch der Stadtverband der SPD. Prominente Genossen wie der Rathauschef wollen von Blockaden aber nichts wissen.

Als mögliche Ausgangspunkte solcher Sperren gelten »Meilensteine«, also dezentrale Veranstaltungen an neuralgischen Punkten, von denen bisher etwa ein Dutzend angemeldet sind. So könnten mögliche Routen für die Nazis gesperrt werden - eine Taktik, die LINKE-Landeschefin Birke Bull an das Spiel »Schiffe versenken« denken lässt. Ob sie aufgeht, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie groß die Resonanz auf den Aufruf des Bündnisses ist. Das mobilisiert zwar auch jenseits der Stadtgrenzen und hofft auf nennenswerte überregionale Unterstützung. Zunächst aber seien die Bürger der Stadt in der Pflicht, sagt Bündnissprecher Robert Fietzke: Zum Protest seien »insbesondere die Magdeburger« aufgerufen. Vom Umfang der regionalen Mobilisierung werde es maßgeblich abhängen, ob die Stadt künftig auch auf mehr Hilfe von außerhalb rechnen könne, glaubt Bull: »Wenn Leute anreisen, aber hier nur Potemkinsche Dörfer vorfinden, bleiben sie in Zukunft zu Hause.«

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