Die kleine Weltkomödie feiert

Prime Time Theater zeigt das Beste aus zehn Jahren »Gutes Wedding, schlechtes Wedding«

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 4 Min.

Man sagt, es sei leichter, tausend Leute kurz zum Lachen zu bringen, als einen Menschen über längere Zeit. Das ist wohl wahr. Doch gibt es andere Beispiele. Das Prime Time Theater vergnügte bisher in über 2000 Vorstellungen mehr als 340 000 Besucher. Fast zu 90 Prozent war das Theater, das von ein paar Stühlen auf einen Spielort mit über 200 Zuschauerplätzen wuchs, dabei immer ausgelastet. Anfangs gab es jede Woche eine neue Folge. Den Rhythmus mussten sich die Macher abschminken. Da hält keiner aus, aus einer Woche wurden mehrere. Bei jedem ihrer Vergrößerungsumzüge folgte ihnen die Anhängerschaft treu, aber argwöhnend, die Gemütlichkeit in »ihrem Theater« könne draufgehen. Nichts dergleichen. Bis heute in der Müller-/ Ecke Burgsdorfstraße werden alle per Handschlag begrüßt.

Constanze Behrends ist froh, dass sie und Oliver Tautorat anfangs so naiv waren, sich auf die künstlerische Unternehmensidee einzulassen. Theater sollte es sein, dass sie auch gern sehen würden. Auf jeden Fall wollte sie etwas erfinden, auf keinen Fall alles so machen, wie sie es auf der Schauspielschule gelernt hatte. Ihr Theater sollte ein unterhaltsamer wie kritischer Ort sein. Einer, der für jedermann da ist und in den Kiez passt. »Gutes Wedding, schlechtes Wedding«, als erste Theatersitcom der Welt geboren, wurde zur Erfolgsstory - nun angekommen bei Folge 88 zur Prime Time ab 20.15 Uhr. Frau Behrends sagt, es sei weiblicher Humor, der hier den Witz bestimme. Auf jeden Fall ist er gut. Haupttatort ist nach wie vor der Weddinger Kiez, Hauptspottgebiet weiterhin Prenzlauer Berg. Das Startmotiv, dass das Fernsehprogramm immer flacher wird und persifliert werden muss, während die meisten Theater immer weltfremder spielen, ist nach wie vor gegeben.

Die kleine Weltkomödie, wie die Behrends den Zwitter aus Seifenoper und Situationskomödie von Anfang an nannte, ist nun zehn Jahre alt. Zwischendurch standen die Macher oft vor der Frage: Schließen oder noch einen Schritt weiter? Sie haben sich stets fürs Vorwärts entschieden, gingen mutig wirtschaftliche Wagnisse ein. Das wird nun belohnt und bringt mehr Sicherheit für das Privattheater. Erstmals in seiner Geschichte genießt die Bühne im Doppelhaushalt 2014/2015 eine Förderung des Landes Berlin in Höhe von jeweils 120 000 Euro.

»Es ist eine Riesenglück, dass uns die Leute sehen wollten und wollen«, sagt Constanze Behrends. Die Zuschauer bekennen sich zur GWSW-Sucht. »Das Stammpublikum besucht, wenn möglich, jede neue Folge. Das wird nur noch von denen übertroffen, die sich jede Folge bis zu drei Mal ansehen. Unglaublich«, lacht Oliver Tautorat.

Constanze Behrends hat 111 Stücke geschrieben und erfand dafür mehr als 150 Charaktere. Neben GWSW schuf sie u.a. eine Shakespeare-Adaption und mehrere Kriminalstücke. Darunter »Blutroter Wedding« - ein Meisterstück, für das sie in alten Polizeiberichten recherchierte. Zum Jubiläum gibt es das Beste aus 88 Folgen. Die Szenen seinen so gut, dass sie sich zu einer neuen Geschichte formen. Als Claudia Kron wird Behrends sie zusammen mit Markus Zucker (Tautorat) in »Wedding TV« kommentieren.

Danach wird die Autorin weiter Regie führen und schreiben, sich von der Bühne aber bis Folge 100 etwas zurückziehen. Guten Gewissens. Im Prime Time Theater ist inzwischen eine gute neue Schauspielergeneration am Werke. Auch GWSW verjüngt sich. Demnächst stürmen zwei dafür erdachte junge Türken herein - Orkan und Taifun.

Während Oliver Tautorat sich als Geschäftsführer neben dem Theaterspiel und seiner beliebtesten Rolle als Postbote Kalle mehr und mehr fürs Wirtschaftliche qualifizierte, geht Constanze Behrends ihr neues Ziel an, GWSW auf den Bildschirm zu bringen. Dazu gibt es Gespräche mit dem RBB. Natürlich müsse so etwas fürs Fernsehen anders aufgebaut sein, aber eines werde ihr sicher nicht fehlen: dass sie beim Schreiben sonst ständig Einkalkulieren muss, wann sich welcher Schauspieler für welche Rolle hinter der Bühne umzieht.

Das bleibt ihr ja - inzwischen auch in der Stadt Essen. Für die dortige Ruhrgebietsbühne erfand sie »Gutes Essen, schlechtes Essen«. Kann man sich in Berlin ansehen. Die Truppe gastiert zwei Tage in Wedding.

Best of 10 Jahre GWSW ab 10.1., Gastspiel aus Essen: 14., 15.1., 20.15 Uhr, Prime Time Theater, Müllerstr. 163, Wedding, Tel.: (030) 49 90 79 58

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