Tabubruch mit Einschränkung

Ex-Fußballer Thomas Hitzlsperger spricht über sein Outing als Homosexueller

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger hat sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Der frühere Nationalspieler zeichnet dabei ein widersprüchliches Bild seiner Sportart im Umgang mit dem Thema Sexualität.

In der Mannschaftskabine spiele das Privatleben selten eine Rolle, sagt Thomas Hitzlsperger. Doch am Mittwoch hat der Ex-Nationalspieler und Profifußballer im Ruhestand dieses Schweigen gebrochen und seine Homosexualität der breiten Öffentlichkeit offenbart. Als erster prominenter Profikicker, der aus seiner Liebe zu Männern kein Geheimnis mehr macht, will er für jüngere aktive Fußballer damit ein Vorbild sein, ihre sexuelle Neigung offen zu leben. Sein Coming-out sollte die maximale Aufmerksamkeit erreichen.

Der Plan ging auf - auch dank einer klug geplanten Medienstrategie: Hitzlsperger äußert sich nicht nur in einem ausführlichem Interview mit der Wochenzeitung »Die Zeit«, sondern veröffentlichte parallel dazu in der Nacht zum Donnerstag ein etwa fünfminütiges Video sowie eine dreiseitige schriftliche Stellungnahme auf seiner privaten Website. Auf allen drei Kanälen erlebt die Öffentlichkeit einen ruhigen und unaufgeregt wirkenden Ex-Profifußballer, der sich seiner Sache sicher ist und die nötige Zeit dazu nahm, in Ruhe über das Thema Homosexualität klar zu werden, etwa indem er Texte des Sexualwissenschaftlers Volkmar Sigusch las. Obwohl Hitzlsperger, laut seiner Erklärung, bereits nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin vor sechs Jahren merkte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt, entschied er sich erst jetzt, nach dem Ende seiner Fußballkarriere, öffentlich darüber zu sprechen. »Bei mir hat die Bewusstwerdung eben länger gedauert«, erklärt der 31-Jährige.

Diese Aussage steht durchaus im Widerspruch zu dem, was Hitzlsperger am Mittwoch dem britischen »Guardian« verriet. Während seiner Zeit als Spieler beim VfL Wolfsburg habe er während der Saison 2011/12 schon einmal darüber nachgedacht, sich öffentlich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Eingeweihte Freunde hätten ihm allerdings davon abgeraten. »Sie haben alle gesagt: ›Tue es nicht, eine riesige Welle wird über dich hereinbrechen.‹«

Der jetzige Zeitpunkt sei dennoch gezielt gewählt, sich als erster männlicher Profikicker über die eigene Homosexualität zu äußern. »Die Olympischen Spiele von Sotschi stehen bevor, und ich denke, es braucht kritische Stimmen gegen die Kampagnen mehrerer Regierungen gegen Homosexuelle«, so Hitzlsperger im Interview.

Vor der Veröffentlichung habe er das Gespräch mit DFB-Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff gesucht. Beide hätten positiv reagiert, was Hitzlsperger, der fünf Jahre in der Nationalmannschaft spielte, allerdings auch nicht verwunderte. »Der moderne Fußball ist kein Lebensraum für Gestrige und Leute mit angestaubten Vorurteilen.«

Ganz so fortschrittlich scheint der Fußball im alltäglichen Umgang mit Homosexualität laut Hitzlsperger aber auch noch nicht zu sein. »Homosexualität wird im Fußball schlicht ignoriert. In England, Deutschland oder Italien ist das kein ernsthaftes Thema, nicht in der Kabine jedenfalls.« Nicht ernst heißt aber nicht, das Homophobie in der Mannschaft kein Thema war. Im Verlauf seiner Karriere habe er im In- und Ausland »krasse Erfahrungen machen müssen«. Über dumme Sprüche und Witze habe Hitzlsperger zwar hinwegsehen können. Eine Grenze sei für ihn aber erreicht gewesen, wenn es um die »Aufforderung zur Ausgrenzung und zur Gewalt« gegen Homosexuelle kam.

Wann und wo er dies erlebte, darüber schweigt Hitzlsperger. Diese Zurückhaltung ist menschlich nachvollziehbar, trägt letztlich - wenn auch unbeabsichtigt - aber dazu bei, Homophobie in der Mannschaftskabine weiter als private Angelegenheit anzusehen. In Teilen begreift sich die Fußballszene »immer noch als Machowelt«, resümiert Hitzlsperger.

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