Aufklärung binnen eines Tages

Amtsgericht Hoyerswerda verhandelt über Vertreibung zweier Antifaschisten durch Neonazis

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Oktober 2012 wurde ein Paar aus Hoyerswerda, das sich gegen Nazis engagiert, in seiner Wohnung angegriffen. Morgen stehen acht Täter vor Gericht - einen Tag lang.

Trotz ihrer Angst werden sie morgen im Gerichtssaal des Amtsgerichts in Hoyerswerda sitzen: Die beiden Mittdreißiger, die im Oktober 2012 durch einen Überfall von Neonazis auf ihre Wohnung faktisch aus der Stadt in Ostsachsen vertrieben wurden, nehmen am Prozess gegen acht der damaligen Täter als Nebenkläger teil. Das Verfahren wird am Vormittag eröffnet - und soll, so hofft der zuständige Richter, noch am selben Tag abgeschlossen sein: Bislang ist nur ein einziger Verhandlungstag angesetzt.

Das scheint nicht nur äußerst ambitioniert angesichts der Tatsache, dass auf der Anklagebank acht junge Männer sitzen und mehr als ein Dutzend Zeugen gehört werden sollen, darunter zum Auftakt die Nebenkläger. Das Eiltempo verwundert zudem angesichts der Wellen, die der Fall vor anderthalb Jahren schlug. Jens Thöricht, Sprecher der LINKEN Sachsen für antifaschistische Politik, befürchtet, dass gerade die »politische Dimension des Vorgangs«, den erst ein MDR-Fernsehbericht mit einiger Verzögerung publik gemacht hatte, »ausgeblendet werden sollen«.

Für Erschütterung sorgte damals zum einen die Aggressivität der Truppe von Nazis. Sie waren abends in einen Wohnblock eingedrungen und hatten zwei Stunden lang die Wohnung des Paares belagert, das sie im Visier hatten, weil es unter anderem Aufkleber mit Naziparolen entfernt hatte. Die Angreifer versuchten die Tür einzutreten, drehten den Strom ab und sollen der Frau mit Vergewaltigung gedroht haben. In einem kürzlich ausgestrahlten TV-Beitrag berichten die Opfer, die heute in einer Großstadt leben, sie litten wegen des Angriffs auf ihre Wohnung weiterhin unter starken Angstzuständen: »Das Gefühl, hier bin ich sicher - genau das wurde einem genommen.«

Auf großes Unverständnis war indes auch das Agieren der Polizei gestoßen. Sie hatte zunächst nur einen Streifenwagen vor dem Haus postiert und erst viel später Personalien von elf Beteiligten festgestellt. Platzverweise wurden nicht ausgesprochen. Statt dessen wurden die Angegriffenen aus der Stadt weggebracht. Ein Sprecher der Polizei erklärte, es sei »einfacher, zwei Personen von einem Ort zu einem anderen sicheren Ort zu verbringen, als 30 Personen zu bewachen oder permanent fünf Funkstreifen vor ein Haus zu stellen«.

Das Vorgehen war auf teils heftige Kritik gestoßen; eine überregionale Zeitung hatte sarkastisch von der Polizei als »Freund und Umzugshelfer« geschrieben. Landespolizeipräsident Rainer Kann widersprach später aber der Darstellung, die Beamten hätten die Angegriffenen zum Umzug gedrängt: Der Wechsel der Wohnung sei »auf Wunsch der Opfer« erfolgt.

In der Gerichtsverhandlung dürfte dieser Teil der Abläufe nicht zur Rede kommen; verhandelt wird nur gegen acht der Angreifer. Sie sind wegen Bedrohung und Beleidigung angeklagt; die maximale Strafe liegt dafür bei einem Jahr Haft. Verhandelt wird nach Jugendstrafrecht, was unter Umständen für einen zeitweiligen Ausschluss der Öffentlichkeit sorgen kann. Grund ist, dass einer der Täter zum Tatzeitpunkt kurz vor dem 18. Geburtstag stand. Der LINKE-Landtagsabgeordnete Klaus Bartl, der die Nebenkläger als Anwalt vertritt, hält das ebenso wie das enge Terminkorsett für fragwürdig. Üblich wäre gewesen, das Verfahren gegen den inzwischen 19-Jährigen abzutrennen.

Dieser gehört wie seine bis zu mittdreißigjährigen Mitangeklagten zur Nazigruppierung »Nationale Sozialisten Hoyerswerda«. Sie soll etwa 25 Mitglieder haben und tritt laut Verfassungsschutz »hochgradig aggressiv« auf. Behördenchef Gordian Meyer-Plath sah »klare Kampfansagen an politische Gegner«. Die Polizei versprach im Herbst 2012, den Nazis »auf den Füßen stehen« zu wollen. Ob das klappt, wird sich in den kommenden Monaten zeigen - nicht zuletzt nach der im Januar geplanten Eröffnung eines neuen Flüchtlingswohnheims in der Stadt, die es 1991 durch massive Übergriffe auf ein Wohnheim von Ausländern bundesweit zu sehr fragwürdiger Bekanntheit brachte.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal