Dem Orakel zum Trotz

Freunde des Tempelhofer Feldes im Endspurt: Knapp 170 000 Unterschriften gesammelt

  • Ben Mendelson
  • Lesedauer: 3 Min.
Heute Abend endet die Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes. Es dürfte eine knappe Entscheidung werden.

Über Bausenator Michael Müller (SPD) und seine Pläne für das Tempelhofer Feld ärgern sich die Aktivisten der Bürgerinitiative »100 Prozent Tempelhofer Feld (THF 100)« meistens, aber manchmal ist er ihnen auch Ansporn. Zum Beispiel, nachdem er am vergangenen Wochenende ein Scheitern des Volksbegehrens vorausgesagt hatte. »Abgerechnet wird zum Schluss«, sagt Michael Schneidewind von der Initiative. »Statt das Orakel von Tempelhof zu spielen, sollte Müller die Sorgen und Ängste Zehntausender Berlinerinnen und Berlinern ernst nehmen, die bereits unterschrieben haben.«

Die Leiterin des Kampagnenbüros, Margarete Heitmüller, wollte am Sonntag noch keine Prognose abgeben. Denn an den Tagen zuvor hatte es bereits große Überraschungen gegeben - mal waren doppelt, mal halb so viele Unterschriften eingegangen wie erwartet. Sicher sei zumindest, dass bis Sonntagmittag über 170 000 Unterschriften bei der Initiative eintrafen. Hiervon müssten aber zehn bis 20 Prozent ungültige abgezogen werden. Es bleibt also spannend bis zuletzt, ob das Quorum von 173 000 gültigen Unterschriften erreicht wird.

Deshalb wurde auch am Sonntag an Dutzenden Orten in der gesamten Stadt gesammelt, natürlich auch auf dem Tempelhofer Feld. Am südlichen Eingang am Tempelhofer Damm drängelten sich seit dem Morgen die Menschen vor den Unterschriftenlisten. »Der Hammer, so geht das schon die ganze Woche«, sagt ein Aktivist, während eine junge Frau mit Hund bei seiner Kollegin nachfragt, ob es denn klappt mit dem Quorum. Sie habe unterschrieben, »weil ich diese belebte Fläche so bewahren möchte«. Eine andere Frau findet es »unglaublich, dass es diesen Platz gibt«. Sie unterschrieb, weil sie verhindern will, »dass noch mehr Spuren des alten Berlin getilgt werden«.

Es liegt in der Natur von Volksbegehren, dass zum Ende der Frist der Rücklauf an Unterschriftenlisten steigt. Wie viele noch im Umlauf sind, ist von der Bürgerinitiative schwer abzuschätzen. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sammelt in seiner Geschäftsstelle für das Volksbegehren. Die Zahl der Unterschriften, die direkt bei den Bürgerämtern in den Bezirken abgegeben wurden, kann nur geschätzt werden. Laut THF 100 sind es mindestens 10 000. Ob das Volksbegehren Erfolg hat, wird sich erst am Mittwoch zeigen, wenn das vorläufige Endergebnis von der Landeswahlleiterin bekannt gegeben wird.

Sollte die erforderliche Stimmenzahl erreicht werden, muss innerhalb von 19 Wochen ein Volksentscheid herbeigeführt werden. Der Energie-Volksentscheid war im November vergangenen Jahres knapp an einer zu niedrigen Wahlbeteiligung gescheitert, nachdem der Senat den Termin nicht mit dem der Bundestagswahl zusammengelegt hatte. Schneidewind fordert, »dass diesmal nicht getrickst werden darf«. Wenn der Senat direkte Demokratie ernst nehme, müsste er den Tempelhof-Termin auf die Europawahl Ende Mai legen.

Dass der Stadtentwicklungssenator nun prüfen will, die innere Freifläche des Feldes von 230 Hektar, die nicht bebaut werden soll, unter gesetzlichen Schutz zu stellen, hält Schneidewind für ein Ablenkungsmanöver. »Damit soll uns der Wind aus den Segeln genommen werden.«

Die Grünen fordern unterdessen ein Planungs-Moratorium für das Feld, um Ideen für eine sinnvolle Bebauung zu entwickeln. Der Senat und die Initiative stellten die Berliner vor die falsche Wahl, heißt es. Es sei weder richtig, auf dem ehemaligen Flughafengelände keinen Stein umzudrehen, noch so teure und große Wohnungen zu bauen, wie der Senat das wolle, erklärte Landeschef Daniel Wesener gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal