nd-aktuell.de / 14.01.2014 / Brandenburg / Seite 12

Elektroautos sollen Strom speichern

Andreas Fritsche
Die Energiewende hängt ab von den Speichertechnologien. In stürmischen Stunden soll überschüssiger Strom auch in Autobatterien fließen und später wieder abgezapft werden.

Bereits 2020 könnte Ostdeutschland rein rechnerisch seinen Strombedarf komplett aus erneuerbaren Quellen decken. Allerdings hat die Sache einen Haken. An bis zu 200 Tagen im Jahr müssen konventionelle Kraftwerke abgeschaltet werden, weil der Wind heftig bläst oder die Sonne strahlt - und an 100 Tagen im Jahr gibt es einen derartigen Überschuss an erneuerbaren Energien, dass sogar Windräder und Solarzellen vom überlasteten Netz genommen werden müssen.

Die Energiewende steht und fällt mit den Speichertechnik. Die Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg forscht an der Möglichkeit, Batterien von Elektroautos als Stromspeicher zu verwenden. Das 2013 gestartete Projekt soll im September erfolgreich abgeschlossen werden. Einige technische und juristische Fragen sind noch zu klären. Am Freitag informierte die BTU über den Zwischenstand.

Was tun, wenn das dünn besiedelte und an Industrie arme Ostdeutschland jetzt nur vier bis elf Gigawatt (GW) Strom benötigt und die vorhandenen Speicherkapazitäten nur für 20 Gigawattstunden (GWh) ausreichen? Ein Sturmtief wie Xynthia sorgte Anfang 2010 für einen Überschuss von 230 GWh. Wohin mit solchen Überschüssen? Wären sämtliche Fahrzeuge in Ostdeutschland - es sind zehn Millionen Stück - Elektroautos mit 500 Kilometern Reichweite, so könnten sie bei halb vollen Batterien 250 GWh aufnehmen, erläutert Professor Harald Schwarz. So ist es freilich nicht und so wird es kurzfristig auch nicht werden. Realistischer ist die Vorstellung, 500 000 Elektroautos mit 100 Kilometer Reichweite zur Verfügung zu haben. Sie könnten 4000 bis 5000 Megawattstunden (MWh) aufnehmen und auch wieder abgeben. Bei aktuellen Schwankungen im Netz von 1000 MW in 15 Minuten wäre dies eine Hilfe, meint Schwarz.

Batterien, die sich auch entladen lassen, sind verfügbar. Herkömmliche Elektroautos können aber nur aufgeladen werden. Spätestens in drei Stunden ist eine marktübliche Batterie voll. Gewöhnlich hängen die Autos jedoch zwölf Stunden an der Ladestation. Es wäre möglich, zeitweise Strom abzuzapfen und die Batterie später wieder voll aufzuladen, bis sich der Fahrer zur vorher definierten Zeit früh oder zum Feierabend ans Steuer setzt. Einen Prototypen rüstete die BTU schon aus. Nun muss erprobt werden, wie die Batterie das ständige Laden und Entladen verkraftet, ob das die Lebensdauer des Bauteils in unvertretbarem Maße senkt.

»Eine Batterie ist auch nur ein Mensch, sie braucht auch einmal eine Pause«, sagt Maik Honscha von Vattenfall. Der am Projekt beteiligte Energiekonzern und die BTU nutzen eine Flotte von 45 Elektroautos, um Benzin zu sparen und die Wissenschaft voranzubringen. Ziel ist das unproblematische »bipolare Laden«, also Aufladen und Entladen. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) spricht von einem »Meilenstein« in der Elektromobilitätsforschung.