nd-aktuell.de / 16.01.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 3

Öko ist weiter angesagt

Der Wandel in der Landwirtschaft vollzieht sich jedoch langsam

Haidy Damm
Am Freitag öffnet die »Internationale Grüne Woche« in Berlin ihre Tore für Besucher. Probleme wie Umweltbelastungen und sinkendes Vertrauen der Verbraucher sind auch in diesem Jahr Thema.

70 Länder werden in den kommenden Tagen auf der »Grünen Woche« in den Berliner Messehallen ihre Produkte präsentieren, mit 1650 ist die Ausstellerzahl so hoch wie seit 15 Jahren nicht. Messechef Christian Göke rechnet auch in diesem Jahr mit mehr als 400 000 Besuchern auf der »Leistungsshow der Agrarindustrie«.

Zufrieden präsentierte sich am Mittwoch auch die Branche selbst gegenüber der Presse. Die Stimmung sei »verhalten positiv«, so der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Trotz Preisschwankungen habe sich das Einkommen der Landwirte leicht verbessert. Die deutsche Ernährungsindustrie konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 174,5 Milliarden Euro steigern, berichtete Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Weitere Wachstumschancen sieht er im Export, wo heute bereits jeder dritte Euro der viertgrößten Branche Deutschlands verdient wird.

Doch der Druck wächst, selbst ohne gerade aktuellen Lebensmittelskandal. So boomt auch die Biobranche, die mit einem Anteil von 6,2 Prozent allerdings noch weit entfernt ist von der bereits für das Jahr 2010 anvisierten 20-Prozent-Zielmarke der Bundesregierung. Der Wunsch der Verbraucher nach ökologischen Lebensmitteln müsse zunehmend durch Importe gedeckt werden, die Umstellung sei noch immer schwierig, auch weil die zusätzlichen Umweltmaßnahmen nicht entsprechend entlohnt würden, erklärte Jan Plagge, Vorstand des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). »Die Ökolandwirte benötigen positive Signale von der Bundesregierung, damit die steigende Nachfrage nach heimischen Bioprodukten sichergestellt werden kann.« Der Erzeugerverband fordert deshalb ausreichende Mittel für den Ausbau, etwa durch eine Anhebung des Fördersatzes durch entsprechende Programme sowie mehr finanzielle Mittel für Forschung und Entwicklung.

Sorgen bereiten der Branche nach wie vor auch die Versuche von Gentechnikkonzernen, in Deutschland Fuß zu fassen. In der kommenden Woche wird in Brüssel über den Antrag auf Zulassung des Genmaises 1507 des Saatgutherstellers Pioneer in Europa abgestimmt. Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein forderte den neuen Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, sich klar zu positionieren: »Für die ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft ist es von existenzieller Bedeutung, ohne Gentechnik wirtschaften zu können.« Da die Landwirtschaft ein offenes System sei, bedeute die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen auch eine Kontaminierung für benachbarte Höfe.

Weitere Umweltsünden der Lebensmittelbranche zeigten gestern das Umweltbundesamt (UBA) und der Verbraucherzentrale Bundesverband auf. Der Verbrauch von Stickstoff als Düngemittel habe zur Folge, dass »ein Viertel aller Grundwasservorkommen in Deutschland zu hohe Nitratwerte aufweist«, warnte der amtierende UBA-Präsident Thomas Holzmann. Überschüssiger Stickstoff sei einer der Hauptverursacher des Rückgangs der Artenvielfalt und senke sowohl die Luft- als auch die Bodenqualität. Die Landwirtschaft sei mit Abstand der größte Stickstoffverursacher, besonders durch die Tierhaltung. So ist der Stickstoffüberschuss von einem Kilogramm Rindfleisch 180 Mal höher als für ein Kilo Kartoffeln. Nötig sei daher eine »zeitnahe ambitionierte Überarbeitung der Düngeverordnung«. Die beiden Verbände setzen zudem auf Ökologischen Landbau, der aus der Umweltperspektive deutliche Vorteile gegenüber der konventionellen Landwirtschaft habe. Für eine weitere Umstellung müssten dringend die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden.

Bauernpräsident Rukwied hört das nicht so gerne. Den Gruppen, die in immer größerer Zahl anlässlich der Grünen Woche für eine Agrarwende demonstrieren, warf er vor, »Ängste zu schüren und Bauern zu diffamieren«. »Es gibt keine Massentierhaltung in Deutschland«, sagte er gegenüber den Medien. »Das ist ein reiner Kampfbegriff.«