Von China bis Katjuscha

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.
Rosa-Luxemburg-Stiftung fördert ein Buch über die Beziehungen der DDR zur Volksrepublik China.

Dass die Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg um originelle Themen nicht verlegen ist, hat sie bei ihrem Jahresempfang am Dienstagabend erneut unter Beweis gestellt. Der inzwischen 14. Förderpreis der Stiftung für einen jungen Wissenschaftler ging an den Potsdamer Politologen Marcel Bode für sein Werk »Die Beziehungen der DDR gegenüber der Volksrepublik China«.

»Hat es die DDR überhaupt gegeben?«, zitierte Laudator Wolfram Adophi einen Titel des Kabarettisten Peter Ensikat. »Und konnte sie demzufolge überhaupt Beziehungen zu China unterhalten?« Das gewürdigte Werk beginnt mit der Feststellung, dass die DDR-Führung Anfang der 1980er Jahre in die diplomatische Offensive gegangen und China die Hand ausgestreckt hatte. »Was die DDR betrifft, so ist sie nach wie vor bereit, die Beziehungen zur Volksrepublik China […] zu normalisieren«, wird Erich Honecker zitiert. Das sei ein durchaus eigenständiger Schritt gewesen, der die These von der restlosen Abhängigkeit Ostberlins von Moskau zumindest relativiere, obwohl diese Abhängigkeit grundsätzlich natürlich immer bestand, stellte der junge Autor fest.

Die Arbeit von Bode macht darauf aufmerksam, dass die Kulturrevolution in China mit ihren teilweise erschütternden Auswirkungen zu einer scharfen Distanz der sozialistischen Staatengemeinschaft, aber zur Annäherung Chinas an den Westen geführt hat. Natürlich ist der Westen bis heute nicht bereit, seine damalige Haltung als Anschlag auf das chinesische Volk zu betrachten. Ihm kam es darauf an, den Keil zwischen China und Sowjetunion möglichst tief zu treiben. Beim Verfolgen ihrer Machtinteressen ist den USA immer nahezu jedes Mittel recht gewesen.

Immerhin auch der DDR ist es zu verdanken, dass es in den 1980er Jahren wieder eine Annäherung der Staaten des Warschauer Vertrags an China gab, natürlich auch unter der Voraussetzung, dass die schlimmen ideologischen und politischen Exzesse in China aufhören. Laudator Adolphi sprach von dem »Traum, in den Beziehungen zu China neuen Spielraum zu gewinnen, der auch schon vom Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht in den 50er Jahren geträumt worden war.«

Adolphi hinterfragte den Umgang mit Zeitzeugen. Warum sollen nur DDR-Opfer und Dissidenten als Zeugen auftreten und nicht auch jene, die ihn aktiv und aufopfernd mitgestaltet haben?

Autor Bode interviewte für das Buch unter anderem den früheren SED-Politiker Hans Modrow. Bode bemerkte in seiner Danksagung trocken, er sei sicher, es werde gegen sein Buch »keine Plagiatsvorwürfe geben«. Die Förderung besteht darin, dass die Luxemburg-Stiftung den Druck der Abhandlung bezahlt.

Der Jahresempfang klang aus mit dem russischen Volkslied »Katjuscha«. Die Landtagsabgeordnete Kerstin Kaiser sang alle vier Strophen auf Russisch.

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