nd-aktuell.de / 17.01.2014 / Kultur / Seite 16

Nationalsymbole

LESEPROBE

Als eine sinnliche Nation sind die Deutschen kaum auffällig geworden. Lebenslust und Lebensart sagt man uns nicht nach... Auch jüngste Umfragen zeigen, dass uns unsere französischen Nachbarn vor allem Fleiß, Disziplin, Rechtschaffenheit und Ernst zuschreiben. Verhaltensweisen also, die nicht immer Elemente eines bewunderungswürdigen Deutschlandbildes waren.

Uns mangelt es, folgt man diesem Bild, allerdings nicht nur an Sinnlichkeit, Leichtigkeit, Lebens- und Sinneslust. Auch mit der Sinnbildlichkeit tun wir uns traditionell schwer, zumal in der Politik. Sie spiegelt in besonders eindringlicher, zeichenhaft verdichteter Weise, wovon hier berichtet werden soll, von Glanz und Elend der Selbstdarstellung einer Nation, die erst in jüngerer Zeit ein Verhältnis zu ihren politischen Farben, Festen und Liedern findet und die Maßlosigkeit monarchischer und diktatorischer Repräsentation ebenso hinter sich lässt wie den Weimarer Dauerstreit um die Republik und ihre Symbole. Sie aber sind weitgehend die unseren, weshalb wir immer mit ihrer Geschichte konfrontiert bleiben. Jedenfalls sofern und solange es um Deutschlands republikanische Identität geht. Hier nur ein Beispiel - vielleicht das aufschlussreichste.

Zwar singen wir in der dritten Strophe unserer Nationalhymne »Einigkeit und Recht und Freiheit«. Wenn wir sie denn singen, singen mögen und nicht lieber der schönen Haydn-Melodie zuhören. Denn die erste Strophe ist spätestens seit Nazi-Zeiten verpönt, und der Text der zweiten wird heute als peinlich empfunden. Es überrascht insofern nicht, dass uns das Lied, in das sich wie in kaum ein anderes Nationalsymbol die Brüche und Widersprüche unserer Geschichte eingeschrieben haben, verstummen und fragen lässt, warum es denn so oft misslungen ist, »daß ein gutes Deutschland blühe, wie ein anderes gutes Land«. So hatte es sich Bert Brecht in seiner Kinderhymne gewünscht, nachdem Hitlerdeutschland zerschlagen war.

Aus der Einführung von Peter Reichel zu seinem Buch »Glanz und Elend deutscher Selbstdarstellung. Nationalsymbole in Reich und Republik« (Wallstein, 381 S., geb., 29,90 €.