nd-aktuell.de / 20.01.2014 / Kultur / Seite 3

Meine Art, Lettland zu helfen

Architekt Gunnar Birkerts über seinen Bibliotheksbau aus Glas und Stahl

nd: Was waren Ihre Leitgedanken beim Entwurf der Lettischen Nationalbibliothek?
Birkerts: Der Bau sollte eine expressive Ausstrahlung erhalten, wobei seine Konzeption tief in Metaphern verwurzelt ist. Inspiriert wurde sie von zwei lettischen Volkslegenden. Zum einen vom Drama »Das goldene Ross« vom lettischen Nationaldichter Rainis. Darin erklimmt einer der Protagonisten den Gipfel eines Glasberges, um eine zum ewigen Schlaf verdammte Prinzessin zu erlösen. Die andere ist das »Lichtschloss«, welches der Legende nach in einem dunklen Gewässer versinkt und erst wieder aus der Dunkelheit emporsteigt, wenn Lettland eine freie Nation sein wird. Beides sind Metaphern für Lettlands Streben nach Unabhängigkeit und der Loslösung von der Sowjetunion, um selbstständig unseren eigenen Weg als Nation zu gehen.

Die Bibliothek ist demnach mehr als nur ein Gebäude?
Eine Nationalbibliothek ist immer mehr als ein bloßer Aufbewahrungsort für Bücher. Sie ist ein nationales Symbol und einer der Grundpfeiler eines Landes - ein Objekt, das ein Volk und seine Kulturgeschichte zusammenhält. Dies gilt insbesondere für Lettland mit dessen Seele und Liebe zur Literatur.

Erwarten Sie, dass die Bibliothek das neue architektonische Symbol von Riga oder Lettland wird?
Ich hätte nichts dagegen, falls dies der Fall sein sollte, und wäre stolz und geehrt. Doch dies hatte ich nicht im Sinn, als ich das Gebäude entworfen habe. Es ging zuallererst darum, dass die Letten eine neue Nationalbibliothek auf Grundlage der genannten kulturellen Metaphern erhalten. Die Fassadengestaltung spiegelt auch die lettische Natur und Landschaft wider - mit Reminiszenzen an Birkenwälder sowie an traditionelle Gehöfte und Dachformen.

Was bedeutet Ihnen das Gebäude persönlich?
Von den Bauten, die ich erschaffen habe, ist es definitiv jenes, zu dem ich die stärkste emotionale Bindung habe. Es war ein absolut fantastischer Moment, als ich damals 1989 mit dem Entwurf beauftragt wurde. Doch dies ist nicht irgendein Projekt - ich wusste, Lettland brauchte Hilfe, und dies ist meine Art, meinen Geburtsort zu würdigen.

Fragen: Alexander Welscher, dpa