nd-aktuell.de / 21.01.2014 / Kultur / Seite 14

Alles nur geklaut?

Bar jeder Vernunft: The Les Clöchards

Ralf Hutter

Natürlich ist alles erstunken und erlogen: Dass die Band 1949 »auf einer kleinen Insel bei Korsika« gegründet worden sei; dass sie nun alte Rockstars seien; der schiefe Name (»Clochards« bedeutet »Obdachlose«) und die verdreckte, zerschlissene Kleidung sowieso. Wenn »The Les Clöchards« nach einer Handvoll Lieder ankündigen, jetzt mal eines zu spielen, das nicht von ihnen ist, und hinzufügen, dass Lieder zu covern ja eigentlich total schwach sei, dann gehört auch das zum Konzept - denn alles, was sie spielen, sind Covers. Da haben sie freilich das Publikum, das auch diesen Spruch mit Gelächter quittiert, schon auf ihrer Seite.

Es gibt wenige Bands, die die Aussage, dass Lieder zu covern ein schwaches, ja schäbiges Konzept sei, so eindrucksvoll widerlegen wie die Clöchards. Was dieses aus der Pfalz stammende Quintett spielt, sind größtenteils nicht Covers, sondern Umwidmungen. Die überwiegend studierten Musiker, die in ihren 30ern sind, geben bekannten Hits von Klassikern des Rock ’n’ Roll bis zum 2008er Chart-Erfolg »I Kissed a Girl« von Katy Perry nicht nur eine eigene Note, sie entführen sie geradezu in fremde Welten - und das nicht nur perfekt gespielt, sondern auch übersät mit klugen musikalischen Einfällen. Da schwingt der Motörhead-Knaller »Ace of Spades« als langsamer Ska daher, Madonnas »Like a Virgin« und »The Number of the Beast« von Iron Maiden werden zu Balladen. Selbst wenn die Lieder nicht vom Original-Genre abweichen, überzeugt die Clöchards-Version, etwa bei »Sledgehammer« von Peter Gabriel.

Garniert wird die Musik von reichlich Blödelei und Herumgetobe, denn die Clöchards sind vor allem eine Rockband. Doch so ausladend die Show und Körpersprache des Sängers sind, so angenehm zurückgenommen ist dessen Gesang. Er rockt auch stimmlich ab und oft wirkt es, als presse er den Gesang mit Kopfstimme heraus - doch die weiche Stimme vermittelt Energie, ohne dass er unangenehm schreien müsste. Auch die Witze sind oft berechenbar, aber die Band schafft es, nie zu langweilen, und auch: nie aus der Rolle zu fallen.

Letzteres bedeutet aber umgekehrt: Es handelt sich um ein ausgetüfteltes Unterhaltungsprogramm. Eines, das jene zahlungskräftige Klientel verzückt, die auf den engen Plätzen der teuren Bar Jeder Vernunft einmal mit einer auf arm und dreckig machenden Band ausflippen will - im Sitzen, versteht sich. Die Rock-Show ist also mehr Show als Rock. Und doch steckt mehr darin - etwas, das aus dem Konzert mehr macht als ein Amüsement für Leute, denen ein bisschen Rock ’n’ Roll und ein paar Anzüglichkeiten einen gelungenen Ausgeh-Abend bedeuten: Was die Clöchards vorführen, ist die lustvolle, für manchen vermutlich auch inspirierende Aneignung von Musik.

Das kann auch mal wenig überzeugend sein, wie die arabisch angehauchte Version des Filmhits »Time of My Life« zeigt. Dafür ist es umso beeindruckender, wie aus Metallicas Ballade »Nothing else matters« ein textlich modifiziertes Countrylied wird.

Ab dem 22.1. spielen die Clöchards fünf Abende hintereinander in der Bar Jeder Vernunft in Schöneberg, Schaperstr. 24. www.cloechards.de[1]

Links:

  1. http://www.cloechards.de