Stegners Stöckchen verärgert die LINKE

Kipping: Brauchen keine Belehrungen aus der Partei, die Sarrazin als Mitglied duldet / Auch Geschäftsführer Höhn verärgert: »Blödsinnige Vorbedingungen«

  • Lesedauer: 3 Min.

Ralf Stegner ist ein Mann des offenen Wortes. Das hat dem schleswig-holsteinischen SPD-Politiker durchaus Anerkennung eingebracht. Immer einmal wieder aber auch Ärger.

Jetzt hat der Sozialdemokrat, welcher der Parteilinken zugerechnet wird und am Sonntag zu einem der Stellvertreter Sigmar Gabriels gewählt werden soll, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erklärt, er wolle sich künftig »gern darum kümmern, einen kontinuierlichen Gesprächsfaden mit der Linkspartei zu knüpfen«. Die LINKE müsse sich jedoch gravierend ändern, um als Partnerin der SPD auf Bundesebene infrage zu kommen. Es gehe nicht darum, mit der LINKEN auf Gedeih und Verderb eine Koalition anzustreben: »Die anderen müssen sich an uns orientieren.«

Strick aus Vorbedingungen: Tom Strohschneider über die Haltung der SPD gegenüber der LINKEN

In ein paar Tagen soll Ralf Stegner SPD-Vize werden. Als Sozialdemokrat, der zur Parteilinken gerechnet wird, sind ihm gewisse Erwartungen entgegengebracht worden, was das Verhältnis seiner Partei zur LINKEN anbelangt. Auch er bemüht sich redlich, diese zu enttäuschen.

Das geht schon bei der sozialdemokratischen Hybris los, sich im Westen für die einzig akzeptable linke Kraft in den Landtagen zu halten. Einmal abgesehen davon, dass Parteien links der Sozialdemokratie zur europäischen Normalität gehören – es gibt ja einen Grund dafür: die SPD selbst. Auch im Westen hat sie den von Stegner hochgehaltenen Anspruch, »Gerechtigkeitspartei« zu sein, nicht nur einmal verfehlt. Mehr noch nervt die oft bei Sozialdemokraten durchschimmernde Haltung, die Linkspartei sei eine Art schwer erziehbares Problemkind, das erst zur Besinnung kommen müsse, bevor man es überhaupt ernst nimmt. Sich so zu verhalten wird nicht dadurch besser, dass es wiederum in der LINKEN jene gibt, welche die Sozialdemokratie gern zum Grundbösen verklären.

Was Stegner und andere lernen müssen: Ein Strick aus Vorbedingungen macht nimmer einen funktionierenden »Gesprächsfaden«. Der lässt sich nur knüpfen, wenn akzeptiert wird, dass andere vielleicht sogar die besseren Antworten auf drängende Probleme haben.

Im Karl-Liebknecht-Haus kam das nicht gut an. LINKE-Chefin Katja Kipping sagte gegenüber »nd«, »wenn das Stegners Einstieg als Vermittler war, dann ist er missglückt«. Es habe »schon charmantere Gesprächsangebote« gegeben. »Wir erfüllen keine Vorbedingungen und stellen keine Vorbedingungen« für Verständigungen mit der SPD über eine mögliche Zusammenarbeit, so Kipping.

Auch Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, reagierte im Sozialen Netzwerk Facebook verärgert auf Stegners Äußerungen. Wenn dieser meine, ein Gesprächsfaden zwischen SPD und Linkspartei »ließe sich durch blödsinnige Vorbedingungen erfolgreich spinnen, irrt er. Wenn Herr Stegner meint, es sei seine Berufung zu entscheiden, wer wann mit wem spricht, irrt er erneut.«

Ähnlich äußerte sich der LINKEN-Vorsitzende Bernd Riexinger. Gegenüber der dpa sagte er, »die SPD hat die Tür immer zugeschlagen. Wir sind zu einem kritischen Dialog bereit.« Riexinger wies aber Belehrungen in Richtung der LINKEN zurück. »Wir stellen keine Vorbedingungen für Gespräche und erfüllen selbst keine«, so Riexinger.

Im Kurznachrichtendienst Twitter zeigte sich der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, der auch Sprecher des linksreformerischen Forums demokratischer Sozialismus in der Linkspartei ist und zu den Befürwortern von Gesprächen zwischen Linken, SPD und Grünen gehört, Stegner plane »offenbar längere Koalition mit Merkel und Seehofer. Mit diesem Stil wird #r2g nichts.«

Seit dem so genannten Öffnungsbeschluss der SPD vom vorigen Jahr, in dem eine Zusammenarbeit mit der LINKEN auf Bundesebene unter Bedingungen nicht länger ausgeschlossen wird, hat es mehrfach auf beiden Seiten Versuche gegeben, von der parteipolitischen Rhetorik in die inhaltliche Auseinandersetzung zu wechseln. Unterhalb der Ebene der Parteispitzen bemühen sich mehrere Netzwerke um einen Austausch über die Möglichkeiten, aber auch um die Grenzen des Gemeinsamen zwischen SPD und Linkspartei unter Einschluss der Grünen.

Stegner hat diesen Bemühungen nun einen Dämpfer versetzt. Er nannte das Gebiet der Finanz- und Steuerpolitik, auf dem die LINKE ihre »Solidität noch beweisen« müsse, wie die Nachrichtenagentur dpa schreibt. Auch sei ohne Abkehr der Linkspartei von ihren Positionen in der Außen- und Europapolitik eine Kooperation nicht denkbar. »Manche Töne in ihrem europapolitischen Programm sind nicht links, sondern rechts und nationalistisch«, sagte der SPD-Politiker.

Kipping wies diesen Vorwurf vehement zurück. »Von der Partei, die Rassisten und Rechtspopulisten wie Sarrazin und Buschkowsky in ihren Reihen duldet, brauchen wir auch keine Belehrungen über unser Programm«, sagte sie »nd«.

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