Aldi bringt Australier gegen sich auf

T-Shirts zum Nationalfeiertag führen zu Rassismusvorwurf

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Australier sind ein patriotisches Volk. Ihr Land feiern sie als das schönste und ihre Gesellschaft als die liberalste. Überschäumend wird der Patriotismus zum Nationalfeiertag am 26. Januar.

Bei soviel Hurra wollte Aldi Australien nicht außen vor stehen. Erst recht nicht als ausländisches Unternehmen, das von den waschechten Australiern höchst misstrauisch beäugt wird. Nicht von ungefähr gibt es eine rege »Made in Australia«-Kampagne und viele Geschäfte verkünden stolz auf »Australian Owned«-Schildern, dass der Besitzer Weiß und von Schotten, Iren oder Engländern abstammt.

Aldi packte Anfang Januar nationalistische T-Shirts zum Nationalfeiertag in die Regale. Darauf stand: »Australia Est 1788« (Australien gegründet 1788). Damit brachte der Discounter das Kunststück fertig, fast alle Australier gegen sich aufzubringen und der jährlichen Debatte über Sinn und Unsinn des Datums des Australia Day richtig Zündstoff zu geben.

Für die Aborigine und eine Minderheit der weißen Australier gibt es am 26. Januar nichts zu feiern. Für sie ist der Tag, an dem die »Erste Flotte« britischer Schiffe mit 756 Strafgefangenen und 550 Besatzungsmitgliedern vor Sydney vor Anker ging der Tag der Invasion, an dem die Weißen den seit zehntausenden Jahren auf dem fünften Kontinent lebenden Ureinwohnern ihr Land wegnahmen. In sozialen Internetzwerken warfen sie Aldi ob der T-Shirts Rassismus vor.

Aldi zerrte erschrocken die T-Shirts aus den Regalen und veröffentlichte eine Entschuldigung - und handelte sich damit noch mehr Ärger ein. Den Kritikern ging die Entschuldigung nicht weit genug. Hardcorepatrioten hingegen schäumten ob des Einknickens des Billigheimers. »Ihr habt euch einer rassistischen Minderheit gebeugt und nehmt jetzt tausenden PATRIOTISCHEN Australiern die Möglichkeit, sie mit Stolz zu tragen. SCHÄM DICH...Aldi«, schimpfte ein User auf der Aldi-Facebookseite.

Schon 2001 bei der Eröffnung seines ersten Supermarkts in einem Vorort von Sydney machte Aldi seine Erfahrung mit dem Nationalismus der Australier. Sydneys Medien sahen durch die deutsche Karton- und Palettenästhetik die »australische Supermarktkultur« bedroht. Deutsche mögen es ja gewohnt sein, wegen des beschränkten ALDI-Sortiments für andere Besorgungen noch zig weitere Läden aufsuchen müssen, lästerten Medien, aber so ein Einkaufsverhalten sei nun doch sehr »unaustralisch«.

Zwei Wochen nach dem T-Shirt-Fiasko passiert der Supergau für Aldi, als auch andere Supermarktketten mit Australia-Day-Memorabilien im Sortiment. In einer großen patriotischen Enthüllungsstory schockten der Sydney Morning Herald die Nation mit der Nachricht: T-Shirts, Fähnchen, Wimpel, Bierkühler in den Nationalfarben wurden in Asien hergestellt und das auch noch von Asiaten. Eine Sprecherin der Gewerkschaft der Textil- und Schuhwarenarbeiter warf empört Aldi & Co »totale Heuchelei« vor.

Unterdessen haben die Gegner des 26. Januar als Datum für den Nationalfeiertag einen Alternativvorschlag: Den 1. Januar als Erinnerung an 1901, als die britische Kolonie Australien ein unabhängiger Staat wurde. Der Vorschlag hat aber ebenso wenig eine Chance auf Verwirklichung wie die Sehnsucht der Republikaner nach Abschaffung der Monarchie. Elizabeth II. bleibt Königin von Australien. Aldi setzt derweil seinen Siegeszug mit inzwischen 300 Läden fort. Geiz ist halt auch in Australien geil, Patriotismus hin oder her.

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