Fluchtwege aus der Fastnacht

Seit der Loveparade-Tragödie müssen Saalbetreiber mehr für die Sicherheit tun - und oft auf Sitzplätze verzichten

  • Nadja Weickel, Mainz
  • Lesedauer: 3 Min.
Breitere Rettungswege, schmalere Stühle: Das Thema Sicherheit macht auch vor der Fastnacht nicht halt. Die Vereine haben mit strengen Vorgaben zu kämpfen - ein Bericht aus Rheinland-Pfalz.

Auf einer Fastnachtssitzung kann es schon einmal eng werden - nicht nur beim Schunkeln. Damit bei einem Unglücksfall oder Feuer alle sicher nach draußen kommen, schauen Behörden und Betreiber bei Sicherheitsfragen immer genauer hin. In Rheinland-Pfalz sind laut einer dpa-Umfrage unter Karnevalisten zwar die meisten Hallen sicher - einige Veranstalter ärgern sich dennoch über die Einschränkungen.

Seit der Tragödie bei der Loveparade von Duisburg im Juli 2010, bei der durch eine Massenpanik 21 Menschen starben, müssen die Betreiber von Sälen mehr für die Sicherheit tun. Je nach Größe und Nutzung des Saals gibt es spezielle Auflagen für die Veranstalter. Von der Breite und Anzahl der Fluchtwege über den Brandschutz bis hin zu den Notausgängen werden strengere Vorgaben gemacht.

Für den Trierer Karneval sind die schärferen Sicherheitsvorkehrungen vor allem in einer Hinsicht ein Problem: Da in den Hallen die Gänge für Rettungswege nun breiter sein müssten, hätten nicht mehr so viele Zuschauer wie vorher Platz, sagte der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Trierer Karneval (ATK), Andreas Peters. »Da fliegen ganze Sitzplatzreihen raus.« Bei der großen Gala der ATK mit nun knapp 1000 Plätzen in der Europahalle bedeute dies etwa ein Minus von gut 100 Zuschauern. Peters sagte, mit diesem Problem hätten mehrere der zum ATK gehörenden 17 Karnevalsvereine zu kämpfen. Weniger Zuschauer bedeuteten weniger Einnahmen. »Und das tut weh.« Die Anforderungen zur Sicherheit müssten aber zweifellos erfüllt werden, betonte er. Nach seiner Kenntnis blieben die Trierer Vereine alle in ihren jeweiligen Hallen. Dass bei manchen Sitzungen nun weniger Zuschauer eingelassen werden könnten, mache den Vereinen das Leben noch schwerer, sagte Peters. Schon seit längerem würden die allgemeinen Zuschüsse zum Karneval sinken, gleichzeitig die Kosten steigen.

Auch der Präsident der Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval (AKK), Franz-Josef Möhlich, bestätigte, dass sich seit dem Unglück in Duisburg einiges verändert habe. Es werde etwa beim Brandschutz sowie bei Notausgängen in Sälen genauer hingeschaut. »Aber das wird lösbar sein«, sagte Möhlich. Er sei in ständigen Gesprächen mit der Stadt Koblenz, die durchaus kompromissbereit sei. Möhlich rechnete nicht damit, dass wegen der strengeren Auflagen Räume gar nicht mehr genutzt werden können. Denkbar sei, dass auch in Koblenz bei einigen Veranstaltungen die Zahl der Besucher verringert werden müsse. Selbst das Närrische Corps Blau-Weiß habe mittlerweile eine Genehmigung für die Halle im Stadtteil Niederberg für das Jahr 2015 erhalten. Zwischenzeitlich hatte der Verein einem Bericht der »Rhein-Zeitung« zufolge darum gebangt.

Der Präsident der Karnevalsgesellschaft 1827 Heimbach in Neuwied, Michael Bleidt, kennt ebenso die Probleme strengerer Vorschriften. »Grundsätzlich begrüßen wir hohe Sicherheitsstandards. Jedoch haben wir gerade einen Grad der Sicherheitsvorkehrungen erreicht, der das Ehrenamt zu überfordern droht«, sagte er. Die von der Karnevalsgesellschaft genutzte Mehrzweckhalle sei für die bis dato gültigen Vorschriften ausgelegt. Insofern müssten keine Sitzungen abgesagt werden. »Jedoch sind die Maßnahmen eine Herausforderung und werden sich vermutlich auch im Rahmen der Kosten auswirken.« Insgesamt sehe er den »Regulierungsgrad« der Veranstaltungen mittlerweile sehr kritisch, so Bleidt. Ohne Not werde damit die ehrenamtliche Arbeit und der Erhalt von Traditionen erschwert.

Die Rheingoldhalle, Sitzungssaal zahlreicher Mainzer Vereine, ist gut für die zahlreichen Besucher gerüstet. Zwar habe es nach Duisburg auch hier eine erneute Begehung mit dem Ordnungsamt und der Feuerwehr gegeben, sagte Toni Werner, Sprecher des Mainzer Carneval Vereins (MCV). Allerdings habe das ohnehin schon hohe Sicherheitskonzept der Halle überzeugt. Im Kurfürstlichen Schloss seien ebenfalls kaum Nachbesserungen nötig gewesen. Durch einen weiteren Fluchtweg auf der Empore fehlten zwar ein paar Plätze, »die fallen jedoch kaum ins Gewicht«, sagte Werner. dpa/nd

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