nd-aktuell.de / 25.01.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 8

Ein paar Lebern zu wenig

Kassen wollen Transplantationszentrum in Göttingen schließen - Uniklinik wehrt sich

Reimar Paul
Seit dem Göttinger Organspendeskandal steht das dortige Transplantationszentrum in der Kritik. Nun droht gar die Schließung.

Vor knapp zwei Jahren kam einer der größten Medizinskandale der deutschen Geschichte ins Rollen. An der Göttinger Universitätsklinik hatten Mediziner Wartelisten für Leberverpflanzungen manipuliert, um ihren Patienten früher zu einem Spenderorgan zu verhelfen. In einigen Fällen sollen Kranken neue Organe eingepflanzt worden sein, obwohl dies gar nicht notwendig gewesen wäre.

Der ehemalige Leiter der Göttinger Transplantationsmedizin steht seit Sommer 2013 vor Gericht. Gegen seinen früheren Chef laufen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Immer neue Details kamen ans Licht, auch in anderen Krankenhäusern hatte es bei Organverpflanzungen Manipulationen gegeben. Die Bereitschaft zu Organspenden brach infolge der Vorfälle dramatisch ein.

Das hat jetzt auch die Krankenkassen auf den Plan gerufen. So verlangt der niedersächsische Verband der Ersatzkassen (VdEK), die Göttinger Transplantationsmedizin zu schließen. Es sei an der Zeit, ein »symbolisches Zeichen« zu setzen, damit sich wieder mehr Menschen zur Organspende bereit erklärten, sagte VdEK-Leiter Jörg Niemann. Die Medizinische Hochschule Hannover könne die Aufgaben übernehmen.

Die Aussagen kommen zu einer Zeit, in der die Kassen für 2014 entscheiden müssen, ob sie Transplantationen per Sonderregelung weiter in Göttingen bezahlen. In diesem Zusammenhang will Niemann seine Äußerungen aber nicht verstanden wissen. »Die beiden Sachverhalte haben nichts miteinander zu tun«, sagte er.

Die Kassen wollten insgesamt eine Zentralisierung der Transplantationen, erklärt der Verband. Zwar werde die Mindestmengen an Transplantationen akzeptiert, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) vorschreibe, »aber besser wäre ein Zentrum mit möglichst vielen Transplantationen«. Die GBA gibt vor, dass ein Transplantationszentrum mindestens 20 Lebern im Jahr verpflanzen muss, um anerkannt zu werden.

Die Göttinger Universitätsmedizin wies die Forderung nach einer Schließung ihres Transplantationszentrums zurück. Der von den Kassen unterbreitete Vorschlag nach Beendigung des Transplantationsprogramms sei auch »im Sinne der in der Region lebenden Patienten unverständlich«, erklärte der Klinikvorstand.

Er verwies darauf, dass das Göttinger Lebertransplantationsprogramm seit Bekanntwerden des Skandals im Frühjahr 2012 unter einer neuen Leitung steht. Drei unabhängige, externe Gutachter hätten die neuen Strukturen, Abläufe und Standards umfassend und sorgfältig überprüft. Sie hätten festgestellt, dass das neu aufgelegte Programm alle Rahmenvorgaben und Richtlinien der Bundesärztekammer erfülle.

Mit durchschnittlich 22 Verpflanzungen pro Jahr zähle das Göttinger Zentrum zu den mittelgroßen Transplantationsprogrammen in Deutschland - allerdings wurden 2013 nur 16 und 2012 nur 13 Lebern verpflanzt. Die Kassen unter dem Dach des VdEK haben in diesen beiden Jahren trotzdem die Behandlungen in Göttingen gezahlt. Eine »Sonderregelung« des GBA besagt nämlich, dass bei einer personellen Neuorientierung im Transplantationszentrum die Mindestzahlen auch unterschritten werden können.

Die Göttinger Universitätsmedizin nehme ihren Versorgungsauftrag für die Region Südniedersachsen und für die in den angrenzenden Bundesländern lebenden Patienten mit schweren Lebererkrankungen sehr ernst, betont der Klinikvorstand. Deshalb könne diese regionale Versorgungsfunktion auch nicht von einem anderen Transplantationszentrum wahrgenommen werden.