Nicht bloß rumgackern

Kathrin Zinkant über die Schönheit des Weltalls, Bauernfamilienminister Friedrich und Zwergwal mit Blaubeer-Dip

  • Kathrin Zinkant
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Weltall ist vieles schöner. Tiefschlaf zum Beispiel gilt dort als Tugend. Zu gern würde man es der Raumsonde Rosetta gleichtun und sich einfach mal für drei Jahre aus dem ermüdenden Betrieb ausklinken - um dann unter dem Jubel seines Arbeitgebers wieder zu erwachen. Man hätte nichts Nennenswertes verpasst und könnte sich voller Energie einer großen Aufgabe widmen. Hier: erstmals in der Geschichte der Menschheit drei Füße auf die Oberfläche eines Kometen zu setzen. Herauszubekommen, was auf 67P/Tschurjumow-Gerasimenko so los ist, während der drei mal fünf Kilometer große Himmelskörper die Nähe der Sonne sucht. Informationen zu sammeln, die das Verständnis für die Entstehung dieser seltenen Welt erweitern.

Auf der Erde bleibt unterdessen nur die vergebliche Sehnsucht nach Tiefschlaf, und seien es zwei Wochen, auf dass zumindest das jährliche Schauspiel der Grünen Woche unbemerkt an einem vorüberzöge. Zum tieferen Verständnis unseres Lebensmittelkosmos trägt das jährlich in den Spätwinter penetrierende Werbespektakel der Agrarwirtschaft schließlich soviel bei wie Fernsehreklame. Dafür aber garantiert es solide Ablenkung von drängenden Problemen, weshalb es irgendwie einleuchtet, dass Ex-Innenminister Hans-Peter »Es gab wichtigere Themen als die NSA« Friedrich auf der Berliner Fressmeile seinen Einstand als neuer Minister für Ernährung und Landwirtschaft gab. Wir erwarten mit Spannung das Ende dieser Amtszeit, zu der es dann womöglich heißen wird, Friedrich habe »wichtigere Themen« als Massentierhaltung und Lebensmittelskandale gehabt. Denn »alle, die Lebensmittel zu den Verbrauchern bringen«, sollen »weiter in der Erfolgsspur« bleiben. Für Friedrich sind das vor allem die »Bauernfamilien«.

Ja, etwa nicht? Auf der Grünen Woche gibt es schließlich ganz viel deutschen Bauernhof, artgerechten Streichelzoo und regionales Biogemüse. Und wenn hier etwas den Missmut der Besucher erregen kann, dann doch nur der ungehobelte Norweger, der dem naturnahen deutschen Verbraucher wahrhaftig das Fleisch von niedlichen Zwergwalen an Blaubeer-Dip servieren wollte. Omega-3-Fettsäuren hin oder her: Es gibt Grenzen, für den Zoll und für die deutsche Nahrungsmittel-Moral, erst recht, wenn es um einen Meeressäuger geht, ganz egal, ob der nun gefährdet ist oder nicht.

Wobei man sich auch fragen könnte, wie die Norweger wohl das deutsche Verhältnis zu bestimmten Lebensmitteln bewerten. Zu Eiern zum Beispiel. Dieses durch und durch bäuerliche Erfolgsspur-Produkt wird in den deutschen Discountern der Aldi- und Lidl-Ketten jetzt statt für 1,29 Euro für 99 Cent je Zehnerpackung angeboten, und obwohl der Kampf gegen die Massentierhaltung ein ganz, ganz wichtiges Thema der hiesigen Parteien und ihrer Wähler war, ist die Nähe zum Huhn wohl doch noch nicht groß genug, als dass deutsche Durchschnittsverbraucher 40 Cent für ein Ei berappen wollten.

In Norwegen haben Lidl und Aldi jedenfalls nie Fuß gefasst, und Thorleif Schjelderup-Ebbe würde sich im Grabe umdrehen, wenn er von dieser Eiersache wüsste. Der norwegische Zoologe liebte nämlich nichts mehr als Hühner und war vermutlich einer der ersten, die den Intellekt und das soziale Wesen des häuslichen Federtiers erkannten. Schon als Kind unterhielt Schjelderup-Ebbe seine eigene Schar und beobachtete das, was heute eher abwertend als »Hackordnung« bekannt ist. Tatsächlich handelt es sich aber gar nicht um eine gnadenlose Hierarchie, sondern um ein komplexes Konzept vernetzter Kontrolle, das unbedrängt lebenden Hühnern ein recht friedliches Miteinander erlaubt. Thorleif Schjelderup-Ebbe hatte im Übrigen auch einen Faible für den Weltraum. Sein Werk »Kometen: mytisk roman« (»Kometen: Ein sagenhafter Roman«) ist in Deutschland allerdings noch weniger bekannt als die »Beiträge zur Sozialpsychologie des Haushuhns«.

Mittlerweile sind sich Verhaltensforscher jedoch einig, dass das walnussgroße Hirn von Gallus domesticus eine mit Krähen vergleichbare Intelligenz besitzt und sogar zu Empathie in der Lage ist. Hühner gackern dabei nicht einfach bloß rum, sie verfügen über ein Repertoire von mindestens 24 Lauten, mit deren Hilfe sie sich ausgiebig verständigen. Was in der Bodenhaltung deutscher Großerzeuger schon mal schwierig werden dürfte, weil der Lärmpegel groß und das Erlebnispotenzial gering ist. Ein Zwergwal hielte das gewiss nicht aus.

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