Grammys für die Tea-Party

Musikpreise verliehen

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war keine gute Nacht für die Tea-Party. Deren Anhänger würden die Gala der Grammy-Verleihung von Sonntagnacht wahrscheinlich mit nur einem Wort beschreiben: »unamerikanisch«. Und tatsächlich - die Verleihung des US-Musikpreises in Los Angeles geriet (zumindest vordergründig) zur symbolischen Breitseite gegen die Schwulen-, Europa- und Chinahasser aus dem Bibel-Gürtel.

Nicht nur stammen mit Daft Punk die größten Abräumer aus dem verachteten Frankreich, nahm Lorde die Trophäe für den besten Song mit nach Neuseeland. Zusätzlich mussten es bedauernswerte Rock-Traditionalisten ertragen, dass einer jener mittlerweile seltenen Horte weißer und erzkonservativer Gitarrenhegemonie von einem Asiaten geentert wurde: Metallica mussten ihre US-Macho-Werte an der filigranen Meisterschaft des chinesischen Pianisten Lang Lang messen lassen. Jenes »Duett« belastete aber beileibe nicht nur das ästhetische Empfinden von Steinzeit-Metallern - was nicht nur an der musikalisch tödlichen Hard-Rock-Klassik-Kombination lag, sondern auch an den obligatorischen, die Bühne umzüngelnden Flammen.

Sich an die Couch fesseln, um nicht aus Wut den Flachbildfernseher einzutreten, mussten sich wahrscheinlich etliche Mitglieder der reaktionären, (mittlerweile leider gar nicht mehr) »schweigenden Mehrheit« angesichts des Auftritts von Macklemore & Ryan Lewis. In der Person von Macklemore wurde zwar ausnahmsweise ein US-amerikanischer Künstler geehrt - doch der weiße Rapper hatte dann nichts besseres zu tun, als mit »Same Sex« eine Ode an die sexuelle Toleranz zu präsentieren. Und nicht nur das: Während die elaborierten Reime des vierfach Ausgezeichneten aus den Boxen perlten, gaben sich im Publikum 33 gleichgeschlechtliche Paare das (symbolische) Ja-Wort.

Die Glaubwürdigkeit dieser freiheitlichen (wahrscheinlich auch an Putin gerichteten) Botschaft mag an den Defiziten der US-Gesellschaft leiden. Dennoch ist sie einfach schön und richtig, und eigentlich konnten ihr nur noch die eigenen Bühnenbildner in die Parade fahren. Und das taten sie - in Form einer Art schwulen Lichtkathedrale, die die Bühne in ein kitschiges Christenhaus verwandelte. Nicht nur galt wegen dieser religiösen Verengung der universelle Anspruch der Laudatorin Queen Lathifah (»Ein Song für ALLE Liebenden«) eben nicht mehr für etwa Muslime oder Hindus. Auch sank durch das exzessive Pathos die Szene auf das Niveau der getanzten Antikriegsmärchen eines Michael Jackson.

Doch wozu gibt es Madonna, der man die merkwürdigste Selbstinszenierung des Abends verdankt: Auf einen Spazierstock gestützt, hielt die Popveteranin ihren 56-jährigen Körper ebenso schief, wie sie ihre Noten setzte. Zur stimmigen Darstellung der Seeräuber-Jenny fehlte hier eigentlich nur die Augenklappe.

Angesichts der großen gesellschaftlichen Gesten bei der Gala ist der Hauptgewinner, die LP »Random Access Memories« von Daft Punk, geradezu provozierend eskapistisch. Der von den Roboter-Zwillingen auf einen der groovigsten Gitarren-Licks des Jahres gebannten Aufforderung würden sich aber auch Schwulenaktivisten kaum verschließen: »Get Lucky«.

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