Berlin: Neue Ungereimtheiten um NSU-Aufklärung

Innensenator Henkel und Opposition liefern sich heftiges Wortgefecht

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses ist es am Montag zum Eklat gekommen. Innensenator Frank Henkel (CDU) warf der Opposition von Grünen, Linkspartei und Piraten nach Vorwürfen gegen das Landeskriminalamt im Zusammenhang mit der Aufklärung der Morde des »Nationalsozialistischen Untergrundes« vor, ein »Spektakel bei einer schlimmen Mordserie« zu machen. Zudem erklärte Henkel: »Ihre Politik hier zu machen auf den Rücken dieser armen Mordopfer ist widerlich und erbärmlich.« Die Opposition wies die Vorwürfe umgehend zurück. »Es ist eine unglaubliche Frechheit, der Opposition vorzuwerfen, sie stelle Fragen auf dem Rücken der Opfer«, erklärte der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Udo Wolf. Gegenüber »neues deutschland« kündigte Wolf an, dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses einen Beschwerdebrief zu schreiben.

Hintergrund des heftigen Wortgefechts sind neue Vorwürfe gegen das Berliner Landeskriminalamt (LKA), das möglicherweise einen weiteren (vierten) V-Mann führte, der Kontakt zum direkten Umfeld des »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) hatte. Wie das »neue deutschland« bereits in seiner Montagsausgabe berichtete, soll dies Nick Greger sein. Der ehemalige Neonazi behauptet selber in einem Internetvideo, Polizisten des LKA hätten ihm geraten, vor Untersuchungsausschüssen keine Angaben zu Carsten Szczepanski zu machen, der als V-Mann »Piatto« des Brandenburger Verfassungsschutzes ganz dicht am NSU-Mördertrio um Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe dran gewesen sein soll.

Senator Henkel und NSU-Skandale

14. September 2012

Henkel muss einräumen, dass der NSU-Unterstützer Thomas Starke von Ende 2000 bis Anfang 2011 als »VP 562« von der Kripo geführt wurde.

14. November 2012

Der Berliner Verfassungsschutz (VS) schredderte rechtswidrig Akten, in den möglicherweise Bezüge zum NSU enthalten waren. VS-Chefin Claudia Schmid tritt zurück. Henkel nicht.

Anfang Mai 2013

Die Berliner Polizei muss einräumen, Hinweise von zwei weiteren Spitzeln (»VP 620« und »VP 773«) auf Beschuldigte im NSU-Verfahren unterschlagen zu haben. Henkel selbst spricht von einer »unbedarften Schlamperei«. mkr

Behinderten also V-Mann-Führer der Berliner Polizei erneut die Aufklärung der NSU-Verbrechen? Das ist die Kernfrage, die es jetzt in Berlin zu klären gilt. Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt wollte am Montag die Existenz einer solchen V-Person weder bestätigen noch dementieren. Kandt sagte aber: »Es waren LKA-Beamte in Thüringen.« Aber warum?

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