nd-aktuell.de / 30.01.2014 / Kultur / Seite 16

»Heilig öffentlich Geheimnis«

Wen obiges Bild an Caspar David Friedrich erinnert, der irrt sich nicht. Christian-Ulrich Baugatz hat sich von den Arbeiten dieses Malers inspirieren lassen, dem er auch einen längeren Abschnitt in seinem Buch widmet. »Er malte die Begegnung der Menschenseele mit der Weltseele«, so Baugatz und zitiert einige Seiten später Goethe: »Nichts ist drinnen, nichts ist draußen;/ Denn was innen, das ist außen. / So ergreifet ohne Säumnis/ Heilig öffentlich Geheimnis«.

Dass da etwas Geheimnisvolles zu erspüren ist, davon ist der Autor überzeugt. Als promovierter Theologe hat er einige Zeit in der DDR als Pfarrer gewirkt, sich aber dann doch von der kirchlichen Dogmatik entfernt. So sucht er auch bei den Persönlichkeiten, denen er sich in seinen Essays ausführlich widmet - neben Caspar David Friedrich, der junge Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg, genannt Novalis, sowie Bettina von Arnim - immer wieder nach dem Moment des Sich-Ausklinkens aus vorgefertigten Denkschemata. Literaturwissenschaftliche Texte sind es insofern, als darin eine ungeheure Fülle an Literatur verarbeitet ist. Wer kann von sich sagen, die Werke der Romantik wirklich im Original gelesen und mit Arbeiten späterer Philosophen in Beziehung gesetzt zu haben? Aber der Grund, aus dem diese ungemein kenntnisreichen Texte kommen, ist ein ganz persönlicher: Selbstvergewisserung, die nach Adressaten sucht und diese unter denen findet, die selber Suchende sind.

Die Epoche der Romantik ist für den Autor deshalb so anziehend, weil sie »ein geistiges Atemholen« war. Ihre Protagonisten hatten den alten Absolutismus hinter sich gelassen, der seelenlose Kapitalismus stand ihnen bevor. Sie sahen sich am Anfang einer neuen Zeit, wollten Kunst, Religiosität, Wissenschaft und Philosophie in ihren Anschauungen vereinen. Ein Bestreben, das Christian-Ulrich Baugatz als durchaus zeitgemäß empfindet und was sich ja tatsächlich in verschiedensten Aufbruchsbewegungen spiegelt. Irmtraud Gutschke

Christian-Ulrich Baugatz: Fühlendes Denken - denkendes Fühlen. Vier Essays über den Geist der Romantik. Mit Aquarellen und Zeichnungen des Autors. Trafo Verlag. 262 S., br., 22,80 €.