Zwischen den Welten

»Zauberflöte« in Halle

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Von Zeit zu Zeit gehört eine »Zauberflöte« einfach dazu - als Balsam für die geschundene Opernseele. Auf der Bühne, im Graben und im Saal. Und neuerdings auch als Pfeifen der Selbstvergewisserung im immer dunkleren Walde der sachsen-anhaltinischen (Anti-)Kulturpolitik. In Halle lief jahrelang eine für das idyllische Goethe-Theater in Bad Lauchstädt maßgeschneiderte Version. Für die große Bühne hat jetzt Hausherr Axel Köhler selbst die »Zauberflöte« neu inszeniert - mit der erklärten Absicht, etwas Märchenhaftes für große und kleine Zuschauer zu liefern.

Das wird mit dem Eingangsbild auf Hartmut Schörghofers Bühne unterstrichen, in dem Tamino wie der berühmte Kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry auf seinem Asteroiden einschwebt. Robert Sellier liefert fortan lächelnd und blond den bravsten Prinzensonnenschein, den man von Tamino erwarten darf. Er lässt sich denn auch ohne vorwitzige Nachfragen in die Unterbühne schicken, um gemeinsam mit Pamina (Ines Lex) - erst angeschwärzt (Feuerprobe), dann nass (Wasserprobe) - wieder aufzutauchen. Und aufs Happyend zuzumarschieren, bei dem beide gemeinsam von Sarastro die Insignien der Macht übernehmen. Das bekommt man so ungebrochen auch nicht mehr alle Tage zu sehen. Der offenbar amtsmüde Sarastro (Ulrich Burdack) indessen entschwindet auf dem kosmischen Transportmittel gen Schnürboden.

Von dort war am Anfang natürlich, ganz theatererwartungsgemäß, die Königin der Nacht eingeschwebt. Agata Wilewska erwies sich auch bei ihren Spitzentönen als schwindelfrei. Das nützt ihr aber rein gar nichts, denn am Ende verschwindet sie einfach hinter den Spiegelwänden auf der Drehbühne. Das war’s dann wohl mit der Revolte gegen ihren verstorbenen Ex-Mann und dessen Freund Sarasto. Kann sein, dass das von Corinna Crome wie ein Schützenverein ausstaffierte, aufmarschierende Gefolge Sarastros gefährlicher ist, als man denkt. Doch über den Gleichschritt und die deutlich erkennbare Empörung der Damen unter ihnen über diverse frauenfeindliche Macho-Sprüche und eine demonstrativ vorgezeigte Kanzlerinnenraute (Angela Merkel sollte sich das patentieren lassen) geht der politische Bezug kaum hinaus.

Allzu weit reicht der Ehrgeiz der Regie nicht, um herauszukriegen, was es denn heute mit dem Kampf um die Macht auf sich haben könnte, den das Reich der Nacht und das mit Priesterpersonal, Zugangsritualen und Propaganda ausgestattete Reich Sarastros gegeneinander führen.

Den Rest bestimmt der Geist der Wiener Vorstadt aus der Uraufführungszeit, wo auch schon Papageno (Ki-Hyun Park) der Liebling sein und die drei Damen (exzellent: Anke Berndt, Sandra Maxheimer, Olivia Saragosa) komödiantischen Ehrgeiz entfalteten durften. Und natürlich die Musik, mit der die Staatskapelle Halle unter Andreas Henning alles trägt.

Nächste Vorstellungen: 31.1., 1.3.

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