Hund jagt Fisch mit Angel

In Dortmund öffnete Europas größte Messe für Jäger, die keine Lustmörder mehr sein wollen

  • Marcus Meier, Dortmund
  • Lesedauer: 5 Min.
Auf der Messe »Jagd und Hund« spiegeln sich gesellschaftliche Konflikte wider: Es existiert ein ökologischer Jagdverband, Tierbefreier protestieren und konventionelle Jäger gehen in die Image-Offensive.

Loden, Leder, Felle, lebende Hunde und präparierte Hirsche und Löwen; dazu wird das ausgestellt, was hier als »edle Jagdmode« gilt. Ein Sound von Jagdhorngeblase fegt so laut und schräg und permanent durch die Hallen, dass die wenigen Ästheten hier sich spontan zur Fußballweltmeisterschaft 2010 mit ihrem Vuvuzela-Lärm zurücksehnen. Dazwischen tummeln sich Zehntausende Menschen, viele in grüner Kleidung, die so die These widerlegen, des Jägers Trendfarbe sei in diesem Jahr modisches Blau. Rehsalami und Wildschweinmett kann man sich aufs Brötchen schmieren, ohne die Wildtiere selbst erlegt zu haben. Auch solche Waren kann man auf Europas größter Jagdmesse erwerben, der »Jagd und Hund«, die seit Dienstag in den Dortmunder Westfalenhallen stattfindet.

350 000 Jäger gibt es in Deutschland. Eine halbe Milliarde Euro pro Jahr berappen sie allein für Jagdpachten. Kosten für Waffen, Geländefahrzeuge, Hunde, Spezialkleidung und Jagdhörner (bis 1500 Euro) sind da noch nicht eingeschlossen. Und Jäger müssen sich mittlerweile einer Menge gesellschaftlicher wie politischer Kritik erwehren. Am Samstag wird eine Initiative namens »Die Tierbefreier« gegen die »Jagd und Hund« und die parallel dazu stattfindende Messe »Fisch und Angel« demonstrieren. Auch EU-Richtlinien, Waffenkritiker, Vogelschützer, Wolfsfreunde und Umweltverbände wollen dem Jägersmann in die Schusslinie springen. Der Deutsche Jagdverband (DJV), der 250 000 Berufs- wie Freizeitjäger vertritt, begegnet der Kritik proaktiv.

Unter anderem mit einer Imagekampagne. Nicht bloß lecker, sondern »noch besser als Bio« sei »Wildbret vom Jäger«, verkündet eine Pressemitteilung des Verbandes der konventionellen Jäger. Der Konsument von heimischem Wildfleisch ernähre sich gesund und ökologisch vertretbar, denn das Fleisch von Hirsch und Wildsau weise nicht nur einen gesunden Fettmix auf, sondern werde auch regional und saisonal vertrieben. 28 000 Tonnen Wildfleisch verzehren die Deutschen laut dieser Quelle jährlich, ihr Leben für die kurze Freude des menschlichen Gaumens ließen demgemäß 400 000 Wildenten, 150 000 Fasane, gut 300 000 Hasen und 250 000 Wildkaninchen pro Jahr.

Auch der Hang zur Esoterik findet auf der »Jagd und Hund« ihren Niederschlag: Bach-Blüten. Qua Verabreichung der Pflanzenauszüge respektive deren »biophysikalischer Energie« soll es zu einer »Harmonisierung« des Jagdhundes kommen. Sofern Hasso denn daran glaubt. Natürlich hat Hersteller cdVet sein Bach-Blüten-Sortiment auf unterschiedliche Hundetypen abgestellt: von »Weichei« über »Bettler« bis hin zu »Rüpel« und »Reviermarkierer«.

750 Aussteller aus 36 Nationen tummeln sich auf 53 000 Quadratmetern. Da findet sich auch Platz für beheizbare Unterwäsche für den Waidmann. Trotz Flachmann und Taschenöfen kann es morgens auf dem Hochsitz ganz schön kühl werden - sofern militante Jagdgegner den Hochsitz nicht gleich angesägt haben, um das Schießen zu verhindern.

Unzählig sind die in den Messehallen ausgestellten Fachzeitschriften und Bücher. »Jagen, Sex und Tiere essen. Die Lust am Archaischen« ist eines der Druckwerke plakativ betitelt. Wie der Sexual- sei auch der Jagdtrieb dem Menschen angeboren, glaubt Autor Florian Asche belegen zu können. Auf der Rückseite wird der Inhalt des Buches zusammengefasst: »In einer Zeit, in der Fleischesser von bestimmten Gruppen zu rohen Monstern stilisiert werden, süße Bambis mordende Jäger der Inbegriff des Bösen sind und die freie Liebe der 68er zu einer politisch korrekten Geschlechtslosigkeit erschlafft ist, schreibt Asche ein Buch gegen den Dreiklang des postsozialistischen, pseudoemanzipierten Ökoterrors.« Ganz so, als hätten Honecker und Genossen nie auf Wild angelegt, übrigens mit Gewehren made in GDR, einem der erfolgreichsten DDR-Exportprodukte. Es gehe den Grünberockten »im Wesentlichen um eines: Beute machen«, räumt auch der anti-linke und pro-archaische Autor ein. Plötzlich steht da ein Burschenschafter im Raum, natürlich in Grün und erfreulicherweise aus Plastik. Echt ist hingegen der Wildsaukopf mit dem Doktorhut an der Wand. Willkommen beim Verband akademischer Jagdkorporationen! Ihren regionalen Schwerpunkt haben die jagenden Burschenschafter in NRW.

Dutzende Safari-Anbieter präsentieren in Dortmund ihre Dienstleistungen. Mal soll es nach Afrika gehen, dann nach Kanada oder Neuseeland, erstaunlich oft aber in die Nachfolgestaaten der Sowjetunion mit ihren weiten wilden Landschaften und gigantischen Bären (so zumindest die Werbeprosa). Ein Anbieter wirbt mit »Jagdtradition seit 1966« für Reisen nach Namibia. Die einwöchige Einsteiger-Safari kostet 2630 Euro plus Flug und Unterbringung, der Abschuss jeweils eines Warzenschweinkeilers, Schakals und Pavians inklusive. Weitere Tiere kosten extra, bestimmte Antilopen beispielsweise über 9000, Leoparden exakt 5000 Euro.

Preisgünstiger ist das Zebrafell zum »Messepreis« von 1500 Euro - es rennt dem potenziellen Tiertöter zudem nicht vor der Flinte weg. Ein paar Meter weiter wird ein vom Hersteller als ulkig empfundenes T-Shirt präsentiert. »Wenn ich groß bin, möchte ich was mit Tieren machen (Metzger oder so)«, ist darauf zu lesen. »Oder so« könnte Hirschbrunftruf-Imitator sein. Am Freitag tragen die ihre deutsche Meisterschaft aus.

Nicht nach Dortmund reisen wird Elisabeth Emmert, die Bundesvorsitzende des 1500 Mitglieder umfassenden Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV), der sich für »ein zeitgemäßes Jagen« ausspricht. Einerseits werfen Emmert und Co. den konventionellen Jägern vor, sie dürften zu viele Tierarten abknallen. Trophäenjagdreisen und Fallen lehnen die Ökojäger ebenso ab wie bleihaltige Munition. Andererseits wollen sie mehr Rehe und Hirsche über den Jordan bringen, um den Waldbestand zu schützen. Generell wollen die Jagd-Ökos stärker als die Konkurrenz vom DJV soziale und ökologische Aspekte der Jagd beachtet sehen. »Wir haben eine sehr große Schnittmenge mit den Umweltschutzverbänden BUND und NABU«, betont Emmert.

»Der ÖJV rekrutiert sich vor allem aus Förstern, er vertritt knallharte forstwirtschaftliche Interessen«, wettert Torsten Reinwald, Pressesprecher des DJV. Das Motto des ÖJV laute »Wald vor Wild«, das des DJV »Wild und Wald«, erläutert der Biologe den Unterschied der beiden ungleich großen Jägervereinigungen. Gegen den jagdkritischen NABU schießt der DJV mitunter aus allen Rohren.

Radikaler als jene des ÖJV fällt die Jagdkritik der Tierbefreier aus. Die Jagd sei ein »blutiges Hobby«, mithin »Mord«, zudem ein »ökologisches und moralisches Verbrechen«, sagt Ina, Aktivistin des Vereins, der am Wochenende gegen die Jäger demonstrieren wird. Auch die Ökojäger haben bei den Tierbefreiern keinen gutem Ruf. »Mord bleibt Mord«, sagt Ina.

»So fundamental ist unsere Kritik natürlich nicht«, sagt Ober-Ökojägerin Emmert. Reinwald, der DJV-Sprecher, geht ins Grundsätzliche. »Wir leben in einer Demokratie, es herrscht erfreulicherweise Meinungsfreiheit«, sagt der 42-Jährige zu den anstehenden Protesten. Er habe und respektiere durchaus Freunde, die Vegetarier seien. Aber im Milieu militanter Jagdgegner würden auch gefährliche Sachbeschädigungen begangen und Morddrohungen ausgestoßen. »Bei Straftaten«, sagt Reinwald, »hört meine Toleranz auf.«

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