Wie man mit dem Monokel das Mitleid bekämpft

Paul Schlesinger alias Sling berichtete aus den Gerichtssälen der Weimarer Republik

Wie lieblos doch das journalistische Genre der Gerichtsreportage heute bei vielen Blättern gepflegt wird. Man denke etwa an das Gewese um Beate Zschäpe, von der wir im vergangenen Jahr, beim Auftakt des Prozesses gegen die neonazistische Terrororganisation NSU, allerlei Hochbrisantes über ihre Frisur erfahren konnten und einiges über ihre Garderobe. Die Tatsache, dass die Angeklagte »mit weißer Bluse und dunklem Sakko« (»Bild«) bzw. »mit nachtblauem Sakko, weißer Bluse und schwarzer Jeans« (»Tagesspiegel«) den Gerichtssaal betrat, sollte keinem Leser vorenthalten werden. Sie schien für den weiteren Hergang der Gerichtsverhandlung höchst maßgeblich zu sein.

Nicht selten bedient der Gerichtsreporter heute auch die Lust des Lesers am Grusel und lässt ihm die Person, über die zu urteilen ist, von vornherein als zweifelhaften Charakter erscheinen: Ein Einwanderer, ein Drogensüchtiger, ein Sonderling mit verrutschter Physiognomie od...


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