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Das Glück: Nackt zu sein, ohne Angst zu haben

SAID erzählt von Liebe und Schmerz - so poetisch, so offen, dass man es nicht vergisst

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Leinenband, dem ein roter Fisch eingeprägt ist, gedruckt in zwei Farben - ein Kunstwerk schon optisch. Eine gute Gabe. Der Verleger hat den Autor und seine Leser wertgeschätzt. Hochherzig - ein altertümlich anmutendes Wort. Die Lektüre macht, dass man es ausgraben, vom Staub befreien möchte.

»parlando mit le phung« - Gespräch mit einem Fisch, der einen Namen hat. Die Frau, die sich diesen einfallen ließ, in Erinnerung an eine Reise nach Vietnam, diese schöne, langbeinige Kluge, diese immer wieder Begehrenswerte und sehnsüchtig zurück Ersehnte, sie bleibt, was ihre Identität angeht, verschleiert. Der Ich-Erzähler, der Autor hält sie unter seinem Schutz. Aber sich selbst reißt er das Hemd auf, zeigt uns die nackte Brust, in der ein liebendes, schmerzendes Herz schlägt. Allein schon für diesen Mut müssten wir ihn bewundern, denn er ist nicht irgendwer, sondern ein bekannter Dichter.

SAID, 1947 in Teheran geboren, seit 1955 in München lebend. Exil aus politischen Gründen. Jahrelang Vizepräsident, dann zeitweise Präsident des deutschen PEN, Autor von über zwanzig Büchern und mehrerer Hörspiele, wir sehen ihn mit hängenden Armen dastehen, während die Frau, die ihm alles war, sich zum Gehen bereit macht. Warum? Weil sie ihre Freiheit brauche, meinte sie. Oder hatte sie einen anderen?

Ein Mann, der einen hohen Begriff von Ehre hat, was könnte er sich alles ausdenken, um nicht als Verlassener dazustehen. Aber weil er einen hohen Begriff von Ehre hat, fände er es nicht nur unter seiner, sondern auch ihrer Würde, fände es unter der Würde des Lesers, würde er kleinmütigen Erwägungen Raum geben.

Seinem Buch stellt er ein Zitat von Montaigne voran: »Man muß den anderen sich leihen, aber nur sich selbst geben.« Besitzergreifend darf, soll Liebe sein, aber nur, so lange die, der Geliebte es will. Auflehnung gegen den Schmerz also lediglich in Gedanken. Gefühle gebändigt durch die Arbeit am Wort.

Am poetischen Wort; »parlando mit le phung« ist lyrische Prosa, die ihren Rhythmus hat, ein Gesang, ein Klagelied in sieben »Strophen«, in das immer wieder Jubel eingeschrieben ist. Der Fisch als stummer Zuhörer, der Fisch auch als Opfer, weil er am Ende gegessen wird, als ob damit etwas zum Abschluss gebracht werden könnte. Vielleicht war der Text einmal zu diesem Zweck gedacht gewesen: Trauer zu bewältigen. Doch er verwandelte sich. Aus sich selbst heraus hob er das Vergangene ins Bleibende. Die Bilder der Erinnerung - Nächte, Reisen, Spaziergänge, Gespräche - umgeben sich mit Licht. Schön und schamlos. Vielleicht sei Glück der Moment, in dem man sich nackt zeigt, ohne Angst zu haben, angegriffen zu werden, hat SAID einmal in einem Interview gesagt. Er hat ein Hohelied auf dieses Glück geschrieben, das es für ihn gegeben hat.

SAID: parlando mit le phung. Steidl Verlag. 124 S., Leinen im Schuber, 15 €.

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