Neuer Jugendarrest für fünf Millionen?

Aus den provisorischen Containern in Königs Wusterhausen sollen die Jugendlichen ausziehen, aber wohin, darüber wird gestritten

Die Verhandlungen mit Berlin über einen gemeinsamen Jugendarrest beginnen erst. Am Ende könnten Baupläne von Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) doch noch verwirklicht werden.

Diebstahl und leichte Körperverletzung können der Grund dafür sein, oder die Jugendlichen haben sich mehrfach mit einer Menge Rauschmitteln erwischen lassen, die über das gesetzlich noch tolerierte Maß hinausgehen. Die 14- bis 20-Jährigen müssen dann für ein paar Tage in den Jugendarrest nach Königs Wusterhausen. Dort sollen sie, abgesondert von ihrem möglicherweise kriminellen Umfeld, herausgenommen aus ihrem eventuell problematischen Elternhaus, zur Einsicht bewegt und gebessert werden.

Gegenwärtig wird in Brandenburg ein spezielles Jugendarrestgesetz vorbereitet, das den Umgang mit den Arrestanten genau regeln soll. Noch vor dem Sommer soll es vom Landtag beschlossen werden. Im Gesetz vorgesehen sind Unterricht und berufliche Qualifizierung. Auch soll jeder eine eigene Zelle für sich haben, damit er in Ruhe über sein Vergehen nachdenken kann. Diese gute Absicht lässt sich aber in den bisherigen beengten Verhältnissen in Königs Wusterhausen nicht in die Tat umsetzen. Davon ist Margitta Mächtig überzeugt. Sie ist Vorsitzende und auch rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion und hat sich im derzeitigen Jugendarrest umgesehen. Dort sind die jungen Menschen in Containern untergebracht. Zwar sind diese Behausungen vernünftig eingerichtet und wirken längst nicht so provisorisch, wie man vielleicht vermuten dürfte. Dem Anspruch des neuen Gesetzes werden sie aber nach Ansicht Mächtigs nicht gerecht.

Darum plante Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg (LINKE) einen geeigneten Neubau mit Platz für 23 Arrestanten, mit Unterrichtsräumen und Behandlungszimmern. Fünf Millionen Euro waren dafür veranschlagt. Gegenwärtig ist in Königs Wusterhausen Platz für 17 Delinquenten. 388 Arrestfälle hat es im Jahr 2012 gegeben. Durchschnittlich befanden sich zehn Jugendliche im Arrest. Schöneburg sah sich dem Vorwurf der Geldverschwendung ausgesetzt.

Noch dazu führte der CDU-Landtagsabgeordnete Danny Eichelbaum den Begriff »Kuschelarrest« ein, um das Ansinnen des Ministers in ein schlechtes Licht zu rücken. »Eichelbaum geht von der Fehlannahme aus, dass mehr Härte auch mehr Effizienz in der Zurückdrängung der Jugendkriminalität bringe«, begegnete Schöneburg solchen Einwänden. Soziales Training habe nichts mit Kuscheln zu tun. Diese Anschuldigung sei populistisch. »Die Arrestzeit muss zu einer intensiven pädagogischen Arbeit mit dem Jugendlichen genutzt werden, um nach neuen Wegen für ein Leben ohne Straftaten zu suchen«, stellte Schöneburg klar.

Bedenken, ob der Neubau nicht zu teuer sei, ließen sich jedoch nicht so leicht zerstreuen. Als billigere Variante wurde ins Spiel gebracht, den Jugendarrest gemeinsam mit Berlin zu organisieren. Zwar habe sich Berlin bislang nicht in der Lage gesehen, Brandenburger in den Jugendarrest in Berlin-Lichterfelde mit aufzunehmen, hieß es aus dem Justizministerium. Doch immerhin zeigten sich Volkmar Schöneburg und Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) gesprächsbereit.

Nun haben Heilmann und der neue Justizminister Helmuth Markov (LINKE) verabredet, »kurzfristig Verhandlungen aufzunehmen«, erklärte auf Nachfrage Markovs stellvertretende Sprecherin Franziska Schneider. Die »vorbereitenden Gespräche auf Arbeitsebene« beginnen ihr zufolge in der laufenden Woche.

Allerdings könnte es sein, dass die Berliner Vorstellungen mit dem neuen märkischen Jugendarrestgesetzes nicht kompatibel sind. Die Hauptstadt verfügt über ein eigenes Jugendarrestgesetz. Gibt es einen Plan B für den Fall, dass eine Einigung nicht gelingt? Wird dann doch ein Neubau in Königs Wusterhausen hochgezogen oder das mittlerweile leergezogene Gefängnis in Frankfurt (Oder) als Jugendarrest genutzt? »Die bisherigen Überlegungen gingen von einem Neubau in Königs Wusterhausen aus. Hierzu ist eine abschließende Entscheidung im Ergebnis der Verhandlungen zu treffen«, hält sich Sprecherin Schneider bedeckt.

Es gibt auch Experten, die lehnen den Jugendarrest generell ab. Sie möchten Jugendliche, die nur wenig auf dem Kerbholz haben, lieber in Wohngruppen unterbringen und intensiv durch Bewährungshelfer betreuen lassen. Linksfraktionschefin Mächtig findet diesen Ansatz im Prinzip richtig. Sie gibt sich aber keinen Illusionen hin. Solange die gesellschaftlichen Bedingungen nicht danach sind, müsse ein Arrest sein. Ein altes Gefängnis wäre dafür aber ungeeignet. »Ein ordentlicher Jugendarrest wäre mir fünf Millionen Euro wert«, bekennt Mächtig.

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