Hollande zwischen den Stühlen

Lavieren in der Familienpolitik ruft Kritik von Linken und Rechten in Frankreich hervor

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn François Hollande geglaubt hat, das am Montag verkündete Zurückziehen des Entwurfs zum neuen Familiengesetz würde ihm innenpolitische Ruhe verschaffen, so hat er sich gründlich geirrt.

Die Parlamentsdebatte über Frankreichs neues Familiengesetz wird aufs nächste Jahr verschoben. Nun höhnt die rechte Opposition über eine schwache und handlungsunfähige Linksregierung, wohingegen sich die grünen und ein Teil der sozialistischen Abgeordneten übergangen und brüskiert fühlen. Sie kündigen individuellen Widerstand an. Wie konnte es so weit kommen?

Drei Wochenenden in Folge hatten diverse rechte und klerikal-reaktionäre Gruppierungen, die schon im vergangenen Jahr gegen die Einführung der Homo-Ehe Stimmung gemacht hatten, gegen die Regierung und ihre Familienpolitik demonstriert. Der dem Parlament vorliegende Familiengesetzentwurf war vielen dabei nur Vorwand. Hauptsächlich ging es ihnen darum, die ins Stolpern geratene Regierung auf die Knie zu zwingen.

Besonders krass war Mitte Januar der »Sonntag des Zorns« gegen Präsident Hollande persönlich, dessen Rücktritt gefordert wurde. Im Demonstrationszug gab es viele rassistische und antisemitische Losungen, das Ganze mündete in eine Straßenschlacht mit der Polizei. Davon wollten sich am vergangenen Sonntag die selbst ernannten »Verteidiger der Familie mit einer Mutter und einem Vater« abgrenzen, die nach eigenen Angaben eine halbe Million Menschen auf die Straße brachten, während die Polizei immerhin 80 000 Demonstranten zählte. Sie protestierten dagegen, dass Homopaaren das Recht auf Kinder entweder durch künstliche Befruchtung oder durch »Leihmütter« zugestanden wird. Das stand aber gar nicht im Gesetzentwurf. Dass Regierungssprecher immer wieder betonten, diese Themen seien »gegenstandslos«, richtete nichts aus. Schließlich hatte Hollande selbst lange in diesen Fragen laviert und Zweideutigkeiten zugelassen.

In einem Interview im Präsidentschaftswahlkampf lehnte Hollande zwar Leihmütter ab, sprach sich aber für das Recht von Lesben auf künstliche Befruchtung aus. Im Wahlprogramm tauchte das Thema aber nicht auf. Darauf angesprochen, meinte er später, es stehe dem souveränen Parlament frei, entsprechende Änderungen zu beschließen. Das fällt ihm jetzt auf die Füße, denn die grünen und zahlreiche sozialistische Abgeordnete, die entsprechende eigene Änderungsanträge eingebracht hatten - auf die sich die Gegner von rechts immer wieder bezogen - und die in diesen Fragen mehr Mut zu Reformen fordern, lassen sich jetzt nicht an die Leine nehmen. Einige haben schon angekündigt, dass sie gleich nach den Kommunalwahlen im März einen eigenen Gesetzentwurf im Parlament einbringen werden.

Die PS-Abgeordnete Sandrine Mazetier erklärt: »Ich bedaure das Zurückweichen der Regierung vor unsachlichen, aber lautstarken rechten und rechtsextremen Grüppchen, die schon immer gegen gesellschaftliche Veränderungen waren, sei es seinerzeit die Abschaffung der Todesstrafe und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch oder jetzt Kinder für gleichgeschlechtliche Paare und die medizinische Begleitung von sterbewilligen Todkranken.« Noel Mamere, Abgeordneter der Grünen-Partei, kritisierte: »Dieses Verhalten zeugt wieder einmal von der Schwäche dieser Regierung, der immer die Hand zittert, wenn es gilt, herangereifte gesellschaftliche Reformen durchzusetzen.« Und der Linksfrontpolitiker Jean-Luc Mélenchon ist überzeugt: »Hollande und seine Regierung täuschen die Linke und liebkosen die Rechte.«

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