Polizei gesteht Fehler bei Ermittlungen

Opfer nicht gewarnt

  • Andreas Rabenstein
  • Lesedauer: 2 Min.

Knapp vier Wochen nach einem Mord in der Berliner Rockerszene hat die Polizei einen gravierenden Fehler bei den Ermittlungen vor der Tat eingestanden. Obwohl die Bedrohung bekannt war, sei das spätere Opfer nicht gewarnt worden, weil ein Hinweis auf den Aufenthaltsort des Mannes in Berlin nicht richtig ausgewertet worden sei, teilte die Polizei der Nachrichtenagentur dpa mit. Die Behörde bestätigte damit teilweise einen Bericht von Spiegel-TV. Innensenator Frank Henkel (CDU) räumte ein: »Dieser Fehler wirft einen Schatten auf einen bedeutenden Ermittlungserfolg gegen eine hochkriminelle Bande.«

Am 10. Januar war der 26-jährige Ex-Rocker Tahir Ö. in einem Wettspielladen in Wedding erschossen worden. Überwachungskameras filmten, wie 13 Männer in den Laden marschierten und einer von ihnen mehrfach auf das Opfer schoss. Die Polizei nahm bislang acht Verdächtige der Rockergruppe Hells Angels fest. Der Mord war laut Polizei die Rache für eine Schlägerei im Oktober, bei der ein Hells-Angels-Rocker vor einer Diskothek verletzt worden war.

Der 26-Jährige hatte sich nach der Schlägerei zeitweise ins Ausland abgesetzt. Der Direktor des Landeskriminalamtes (LKA), Christian Steiof, gab noch Ende Januar an, das Opfer sei nicht gewarnt worden, weil die Polizei davon ausging, der Mann sei zuletzt im Ausland gewesen. Laut Polizei hat sich aber mittlerweile herausgestellt, dass es schon im November 2013 einen Hinweis auf die Rückkehr des späteren Opfers gab. »Diesen Hinweis hat die zuständige Fachdienststelle aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht in ihre Gefährdungsbewertung einbezogen. Daher ist mit Tahir Ö. kein Sensibilisierungsgespräch geführt worden.« Zudem sei wegen der fehlenden Informationen ein abgehörtes Telefongespräch des Rockerchefs und mutmaßlichen Auftraggebers kurz vor dem Mord mit Hinweisen auf das spätere Opfer nicht live, sondern erst später analysiert worden, so die Polizei. Aus diesem Telefonat habe sich ergeben, »dass Tahir Ö. von seiner Gefährdung wusste, sich mit Schutzweste und Schusswaffe ausgerüstet hatte und sich provozierend in der Szene bewegte«.

Henkel erklärte, warum dieser Fehler passiert sei, müsse jetzt »dringend« aufgeklärt werden. Er habe die Polizeiführung beauftragt, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses am 17. Februar darüber zu berichten. Gleichzeitig betonte er: »Eines werde ich allerdings nicht tun: Mich an der Spekulation zu beteiligen, ob der Mord durch eine andere Vorgehensweise der Polizei hätte verhindert werden können.«

Laut Spiegel-TV hatte die Polizei noch im Oktober den Hinweis eines Informanten auf einen Mordauftrag gegen Tahir Ö. erhalten. In einem weiteren Hinweis im November letzten Jahres sei es darum gegangen, dass sich die Hells Angels rächen wollten. dpa/nd

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