Bangen um Kita-Qualität in Thüringen

Eltern fürchten Demontage des Gesetzes von 2010

  • Andreas Hummel, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

In den vergangenen Jahren wurde das Personal in Thüringer Kindergärten erheblich aufgestockt, und Kinder haben seit 2010 ab dem ersten Lebensjahr Anspruch auf einen ganztägigen Kita-Platz. Nach Einschätzung von Experten hat sich dadurch die Betreuungssituation verbessert. Eine Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu dem Ergebnis, dass Thüringen »in Deutschland zu den Vorreitern einer zeitgemäßen institutionellen frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung zählt«. Doch Eltern und Gewerkschafter treibt nun die Sorge um, dass daran aus Kostengründen wieder die Axt angelegt werden könnte.

Anlass sind Forderungen der CDU sowie des Gemeinde- und Städtebundes, Standards in der Kinderbetreuung abzubauen oder zu überprüfen. Im jüngsten CDU-Bildungsprogramm heißt es mit Blick auf vielerorts gestiegene Elternbeiträge: »Ein Weg, sie einzudämmen, muss auch sein, einzelne in den letzten Jahren geschaffene Standards noch einmal auf den Prüfstand zu stellen.«

Der Landeselternsprecherin für die Kindertagesstätten, Sandy Kirchner, schwant nichts Gutes. »Wenn man weiß, dass das Personal bei den Kosten der größte Posten ist, dann kann es nur darum gehen«, äußert sie ihre Bedenken. »Die Qualität wird abnehmen, wenn ein Erzieher wieder mehr Kinder betreuen muss.« Torsten Wolf, Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, befürchtet, das sogenannte Fachkräftegebot könnte aufgeweicht werden, also auch schlechter qualifizierte Frauen und Männer in den Kindergärten eingesetzt werden - für weniger Geld.

Das Thüringer Kita-Gesetz war 2010 vom Landtag überarbeitet worden, nachdem per Volksbegehren deutlich bessere Bedingungen in der Kinderbetreuung gefordert worden waren. Der Personalschlüssel für die Unter-Dreijährigen wurde dabei gesenkt: Seither kommt etwa bei Kindern im Alter von bis zu einem Jahr eine Erzieherin auf vier statt sieben Kinder, bei den Zwei- bis Dreijährigen sind es acht statt zehn. Lediglich bei den über Dreijährigen ist der Schlüssel von 1:15 auf 1:16 angehoben worden. Laut jüngstem »Länderreport frühkindliche Bildungssysteme« der Bertelsmann-Stiftung liegt Thüringen im Personalschlüssel bei Krippengruppen unter dem Bundesschnitt, ist aber Spitze in Ostdeutschland. Deutlich schlechter seien jedoch die Bedingungen bei altersübergreifenden Gruppen.

»Wir laufen Gefahr, im Bundesvergleich wieder deutlich abzurutschen«, warnt Peter Häusler vom Landesförderverein Kindertagesstätten. »Qualität muss in der Kinderbetreuung weiter an erster Stelle stehen. Alles andere schadet unmittelbar den Kindern.« Er räumt ein, dass vielerorts die Beiträge der Eltern in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Sie trügen etwa 15 Prozent der Kosten.

Laut Thüringer Kultusministerium wurden 2012 immerhin knapp 90 Millionen Euro von den Eltern gezahlt. Die LINKE hat sich deswegen in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, die Elternbeiträge ganz zu streichen. Auch Kultusminister Christoph Matschie (SPD) hatte ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes gefordert, um den Kindergartenbesuch beitragsfrei zu machen.

Unter dem Titel »Billige Kitas mit bester Qualität?« wollen Landeselternvertretung, Landesförderverein und Ebert-Stiftung am Samstag auf einer Fachtagung in Erfurt nun über diese Probleme diskutieren. dpa/nd

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