Werbung

Österreicher kauft Ungarns wichtigste Oppositionszeitung

Aktienmehrheit an »Népszabadság« soll den Eigentümer wechseln

  • Boglárka Szürke, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Meldung erregte Aufsehen: Die Medienkonzerne Ringier AG und Axel Springer SE verkaufen Teile ihres Ungarn-Portfolios, darunter die Oppositionszeitung »Népszabadság«, an Vienna Capital Partners.

Nach langjährigem Tauziehen scheint sich der Sturm angesichts des Besitzerwechsels bei der auflagenstärksten Qualitätszeitung Ungarns, der »Népszabadság« (Volksfreiheit), zu legen. Die Schweizer Ringier AG und die österreichische Vienna Capital Partners UnternehmensberatungsAG (VCP) hatten Ende Januar eine Vereinbarung über Verkauf und Kauf des größten politischen Tageblattes des Landes getroffen.

Der Investmentbanker Heinrich Pecina, Gründer und Chef der VCP, denkt offenbar in großem Maßstab: Er übernimmt nicht nur den 70-prozentigen Mehrheitsanteil an »Nép-szabadság«, sondern auch zahlreiche regionale und überregionale Zeitungen aus dem Portfolio der Medienkonzerne Ringier und Axel Springer SE. Um das spektakuläre Geschäft abschließen zu können, müssen die Partner allerdings noch die Billigung des ungarischen Medienrats und des Wettbewerbsamtes abwarten.

Die Idee einer Neuaufteilung des ungarischen Medienmarkts ist nicht neu. Ein Verkauf der »Népszabadság«-Aktien kam 2011 zum ersten Mal zur Sprache, als die Medien- und Kommunikationsbehörde die Verschmelzung der ungarischen Beteiligungen von Ringier und Springer nicht genehmigte. Der Marktanteil der geplanten Ringier Axel Springer Media AG wäre übermäßig geworden, lautete seinerzeit die Begründung der Marktwächter.

Das Schicksal der »Népszabadság«, des ehemaligen Zentralorgans der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP), in den letzten Jahren ist wechselhaft. Noch bis zum Sommer 2012 zeigte sich Ringier bereit, auch die Aktien des Minderheitseigentümers, der linken Szabad Sajtó Alapítvány (Freie Presse Stiftung), zu übernehmen. Ringiers Unternehmungslust schwand jedoch vom einen auf den anderen Tag. Stattdessen kündigte der Verlag an, er wolle die Tageszeitung möglichst schnell loswerden. Das Angebot fand zwar bei mehreren - auch regierungsnahen - politischen Kreisen Interesse, doch ein Geschäft kam nicht zustande.

Die Verhandlungen mit VCP zogen sich seit dem letzten Frühling hin. Jetzt formulierte VCP-Chef Pecina im Interview mit »Népszabadság«: »Die politische Orientierung der Zeitung ist mir überhaupt nicht wichtig. Die Hauptsache ist, dass sie eine aktuelle, qualitative Berichterstattung vertritt und dass sie das Interesse der Leser weckt.« Das klang vertrauenswürdig, doch Kritiker des Deals bleiben misstrauisch. Sie befürchten, dass hinter dem Vertrag Medienmagnaten stehen, die der ungarischen Rechtsregierung nahe stehen. Warum sonst wolle der österreichische Unternehmer eine Zeitung kaufen, deren Auflage kontinuierlich sinkt und heute nicht einmal mehr 50 000 Exemplare erreicht? Warum steige er gerade jetzt in den ungarischen Medienmarkt ein, wo die meisten anderen Investoren ihre Beteiligungen abstoßen?

»Solange der politisch gesteuerte Entzug von Werbeeinnahmen anhält, hat ›Népszabadság‹ kaum eine Chance, profitabel zu sein«, äußerte ein Vertreter des redaktionellen »Népszabadság«-Vereins. »Die Zeitung wird aber in einem Paket mit anderen Blättern verkauft, und wir hoffen, dass die finanzielle Lage auf diese Weise stabilisiert werden kann.«

So einfach, wie es die Kritiker befürchten, ist es nämlich auch wieder nicht, die größte ungarische Oppositionszeitung rechten Oligarchen in die Hände zu spielen. Denn ohne einen Konsens der Eigentümer können maßgebliche Entscheidungen nicht getroffen werden. Wichtige Beschlüsse bedürfen einer 75-prozentigen Mehrheit. Der künftige 70-Prozent-Anteil der VCP Pecinas allein kann neuen Akteuren also nicht zum Entscheidungsrecht über die Zeitung verhelfen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal