nd-aktuell.de / 08.02.2014 / Sport / Seite 12

Vorturner der Bewegung

Bei den ersten Spielen unter seiner Ägide müht sich IOC-Präsident Bach um Optimismus

Andreas Morbach
Kurz vor der ersten olympischen Eröffnungsfeier unter seiner Ägide gab IOC-Präsident Thomas Bach am Freitag eine Pressekonferenz, auf der er die Ergebnisse der IOC-Session vom Vortag lobte.

Da saß er nun, der neue Vorturner Olympias, und es schien, als würde ihn die riesige Wand hinter seinem Rücken erdrücken. Allein IOC-Sprecher Mark Adams hockte noch mit Thomas Bach auf dem riesigen Podium, zwei Stühle rechts vom Präsidenten - der sich alle Mühe gab, endlich mal wieder in seinem Element zu sein.

Die erste olympische Eröffnungsfeier unter seiner Ägide war da nur noch sechs Stunden entfernt - und die Diskussionen über missachtete Menschenrechte, schauderhafte Mutmaßungen von über 60 Prozent gedopter Athleten oder die hässlichen Baustellen in Sotschi und Umgebung würden bald im Dunst verschwinden. Darauf setzt Bach, und daraus machte der Mannschaftsolympiasieger im Fechten von 1976 in der Dämmerung des russischen Eröffnungsspektakels auch kein Geheimnis.

Am Donnerstagnachmittag hatte er noch zusammen mit Ban Ki Moon die Olympische Fackel durch die Gegend getragen. Auf die gemeinsamen Meter mit dem UNO-Generalsekretär war Bach mächtig stolz. Schließlich hatte es ein solches sportpolitisch-politisches Laufgespann bei Olympia zuvor noch nie gegeben. Thomas Bach vergaß nicht, diesen exklusiven Touch seiner Joggingeinheit mit Ban extra herauszustreichen. Die scharfen Worte des südkoreanischen Diplomaten zuvor gegen »Attacken gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, transsexuelle und intersexuelle Menschen« - zugleich eine indirekte Kritik an Kreml-Chef Wladimir Putin und dem russischen Anti-Homosexuellen-Gesetz - ließ er geflissentlich unerwähnt.

Als ihn bei seiner One-Man-Pressekonferenz wieder einer auf die halbfertigen Hotels ansprach, entgegnete Bach halb lächelnd, halb genervt: »Ich habe davon gehört und gelesen - deshalb sehne ich mich jetzt nach heute Abend.« Nach der Eröffnungsfeier, mit der erfahrungsgemäß die vielen unerfreulichen Nebengeräusche Olympias in den Hintergrund treten. Oder, wie er es mit Verweis auf das Traumwetter an der Schwarzmeerküste ausdrückte: »Die Sonne scheint auf diese Spiele und auf die Athleten.«

Doch es gibt auch die dunklen Schatten, die sich über die fünf Ringe gelegt haben. Städte wie München oder Stockholm, die sich gerade gegen eine Bewerbung um Olympia ausgesprochen haben. Weil ihnen dieses Sportfest längst zu gigantisch, undurchschaubar und unüberschaubar geworden - kurz: nicht mehr ganz geheuer - ist. Der Wirtschaftsanwalt Bach, der das IOC-System wie kaum ein zweiter verkörpert und kurz vor Beginn der Eröffnungsfeier davon schwärmte, bei diesen Winterspielen würden weltweit mehr TV-Stunden produziert als bei den Sommerspielen 2008 in Peking, hat gerade sein präsidiales Programm ausgerufen. »Agenda 2020« hat der wundersam zum Reformer umgesattelte Bach sein Kind genannt - von der er selbst nicht weiß, was aus ihm werden soll.

Denn die Zweifel, das kaum noch zu bändigende Monstrum Olympia wieder in den Griff zu bekommen, sind Bach anzumerken. Der 60-Jährige spricht von der IOC-Session in Sotschi, von der »extrem positiven Atmosphäre«, die dort geherrscht habe, oder von den »210 Einbringungen der Mitglieder in eineinhalb Tagen«. Derart engagiert sei diskutiert worden, dass er hoffe, dass wir »dieses Momentum bewahren können«. Und zwar bis zur außerordentlichen IOC-Session im Dezember in Monte Carlo. Denn Bach weiß: »Dort müssen wir Entscheidungen treffen.«

Er hat sich fürs Erste entschieden, die Sonne über Sotschi scheinen zu lassen. Da können auch die scharfen Sicherheitsmaßnahmen nichts ändern. »Als ich 1976 als Sportler bei den Spielen in Montréal war, sind wir von Leuten mit Maschinengewehren um die Schultern zum Bus geführt worden. Die standen dann vorne im Bus, in der Mitte und hinten auch«, erzählt Bach, berichtet von Polizisten, die jede Trainingseinheit überwachten. »Das Thema Sicherheit war dort sehr viel offensichtlicher und einem näher als das hier der Fall ist.«