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Angst und Schrecken durch Fassbomben aus Helikoptern

Der UNO-Generalsekretär brandmarkt den Einsatz der geächteten Waffenart im syrischen Bürgerkrieg, obwohl Beweise für ihren Einsatz rar sind

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Regierungstruppen sollen auch vergangene Woche im Kampf gegen Freischärler in Aleppo sogenannte Fassbomben eingesetzt haben. Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte diese Praxis.

Am Wochenende wurde nicht zum ersten Mal davon berichtet, dass die syrische Luftwaffe Fassbomben abgeworfen habe. Dies sei vor allem in Großstädten wie Aleppo und Homs geschehen, wo Regierungsgegner sich in Stadtvierteln verschanzt hätten, die von Bodentruppen der Armee nur unter sehr hohen Verlusten zurückerobert werden könnten. Vor einem Bombardement durch Kampfflugzeuge schreckt die Armeeführung offenbar zurück.

Bei den Fassbomben soll es sich um mit Sprengstoff und Nägeln gefüllte zylinderförmige Metallbehälter handeln, die aus Hubschraubern abgeworfen werden und kurz vor oder nach ihren Auftreffen bei der Detonation eine besonders zerstörerische Wirkung entfalten. Die Opferzahl ist entsprechend hoch, trifft unterschiedslos Kombattanten wie Zivilisten und gehört deshalb zu den international geächteten Waffenarten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat Luftangriffe der Regierung und den Einsatz von Fassbomben im syrischen Bürgerkrieg bereits mehrfach verurteilt, zuletzt am Freitag.

Laut dem Fernsehsender n-tv, der sich wiederum auf verschiedene Quellen - diffuse, aber auch die dpa - bezieht, seien durch Luftangriffe mit Fassbomben allein in der letzten Januarwoche in Syriens zweitgrößter Stadt Aleppo »nach Angaben von Aktivisten« mindestens 85 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilisten und ein Dutzend Kinder. Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) schrieb, habe die syrische Luftwaffe die mit dem Sprengstoff TNT gefüllten Fässer von Hubschraubern oder Flugzeugen aus auf von Rebellen beherrschte Viertel im Osten der Stadt abgeworfen. Allein im Stadtteil Tarik al-Bab seien so 33 Menschen getötet worden. Laut SOHR waren zuvor bei einem ähnlichen Angriff acht Kämpfer der islamistisch-fundamentalistischen Rebellengruppe Nusra-Front getötet worden.

In seiner Rüge nennt der UNO-Generalsekretär die Tötung von Zivilisten durch derlei Bomben ein unentschuldbares Verbrechen, selbst wenn dies nicht beabsichtigt gewesen sei. Der Einsatz dieser verbotenen Waffen ziehe in Wohngebieten eben vorhersehbar verheerende Folgen nach sich. So erklärte es Bans Sprecher Martin Nesirky. Bei den israelischen Angriffen auf zivile Viertel in Gaza Anfang 2009 hatte Ban allerdings diesbezüglich noch ein gewisses Verständnis für die bombardierende Seite gezeigt, obwohl auch damals geächtete Waffenarten eingesetzt wurden.

Im Falle der Fassbomben-Angriffe machte Nesirky keine Angaben, wann und wo diese nach Meinung der UNO erfolgt seien und auf welche Quelle man sich dabei bezieht. Es gibt darüber, wie es aussieht, wenig beweiskräftiges Material. Obwohl in den zurückliegenden Monaten mehrfach über Fassbomben-Abwürfe berichtet wurde, werden dabei fast immer dieselben Filmsequenzen gezeigt; häufig mit dem Zusatz, es handele sich um Informationen der SOHR, deren Angaben nicht überprüft werden könnten. Dass es Fassbomben-Angriffe gegeben hat, dürfte dennoch außer Zweifel stehen. Die syrische Armee, von der es heißt, sie stelle diese Sprengkörper in Eigenregie her, hat das zwar niemals eingeräumt. Ein Dementi gibt es von offizieller syrischer Seite bislang aber auch nicht.

Russland, dass voriges Jahr, als der syrischen Armee der Einsatz von Giftgas unterstellt wurde, vehement dementierte und eigenes Material zur Entlastung der Regierungstruppen unterbreitete, gibt sich zum Thema Fassbomben recht wortkarg. Die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti gibt dazu lediglich dürre AFP-Meldungen wieder und beruft sich ansonsten auf SOHR. Russische Autoritäten äußern sich öffentlich gar nicht und verweisen, so wie das Außenministerium am Donnerstag, gern darauf, dass man die Glaubwürdigkeit der von SOHR verbreiteten Informationen prinzipiell anzweifele.

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