»Militaristisch« aus Präambel gestrichen

LINKE zieht wohl ohne »Pöbelpassage« in den Europa-Wahlkampf / Programmkonflikt gelöst, Personalkonflikt nicht

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Woche vor dem Europa-Parteitag hat der LINKE-Vorstand eine umstrittene Passage aus dem Entwurf des Wahlprogramms gestrichen. Inhaltlich sei nichts verwässert worden, betonen Parteilinke.

Springers »Welt« war wieder einmal zuerst informiert über die Interna aus dem LINKE-Bundesvorstand: »Linke streicht Pöbelpassage aus Programm«, berichtete das Schwesterblatt der »Bild«-Zeitung am Samstag auf seiner Webseite. Der Artikel erschien nur kurze Zeit, nachdem die Spitze von Deutschlands wichtigster Oppositionspartei zusammen getroffen war.

In Abwesenheit von Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi, der im Urlaub weilte, segnete der Vorstand den Entwurf des Europa-Wahlprogramms ab, der am kommenden Wochenende in Hamburg als Leitantrag auf dem Europa-Parteitag der LINKEN debattiert wird. Allerdings verwarf sie eine seit Wochen umstrittene Passage im Entwurf der Präambel.

Höchstwahrscheinlich wird die LINKE also nun ohne folgende Aussage in den Wahlkampf ziehen: »Spätestens seit dem Vertrag von Maastricht wurde die EU zu einer neoliberalen, militaristischen und weithin undemokratischen Macht, die nach 2008 eine der größten Krisen der letzten 100 Jahre mit verursachte. Viele verbanden mit der EU: mehr internationale Solidarität. Heraus gekommen sind mehr faschistische Parteien, rechtspopulistische Hetzer und mehr Menschenjagd in und an den Grenzen der EU.«

Nein, um eine Pöbelpassage habe es sich gewiss nicht gehandelt, sagt der LINKE-Parteivorstand Dominic Heilig, einer der heftigsten Kritiker der nun ersatzlos entfernten Zeilen. »Es war nur die Frage, ob man diese Aussagen in solch kurzer, kompakter und zugespitzter Form an den Anfang des Programms stellen sollte.« Die EU wäre dann mit »einer Aufzählung von Attributen charakterisiert« worden, moniert Heilig. Und die seien zum Teil falsch: So sei die EU nicht durchgängig eine undemokratische Macht, sondern weise, wie auch die Bundesrepublik, erhebliche Demokratiedefizite auf. »Die muss man auch klar und eindeutig benennen, und das tun wir ja auch.«

Auch der zur Parteilinken gezählte Europapolitiker und Parteivorstand Tobias Pflüger verteidigte gegenüber »nd« diesen von einer großen Mehrheit getragenen Vorstandsbeschluss. »Inhaltlich wurde nichts zurückgenommen, insbesondere nicht im friedenspolitischen Teil des Programmentwurfs. Der geht völlig in Ordnung, das entspricht inhaltlich dem Erfurter Parteiprogramm.« Eine Aufweichung habe es nicht gegeben.

Pflüger wurde vom Bundesausschuss seiner Partei für den zweiten Platz der Europa-Wahlliste nominiert. Auch darüber wird am kommenden Wochenende in Hamburg entschieden. Allerdings existiert offenbar auch eine alternative »Geheimliste«, die vor allem ostdeutsche Pragmatiker enthält. Auch diese Information war über »Die Welt« in die Öffentlichkeit getragen, mancher sagt: »durchgestochen« worden.

Die nun getilgte Passage zur Grundsatzkritik an der EU war in Öffentlichkeit wie parteiintern heftig umstritten. Nachdem Fraktionschef Gysi die Passage als »nicht gelungen« bezeichnet und angekündigt hatte, sie werde gewiss noch geändert, wurde die Parteivize Sahra Wagenknecht diesbezüglich pragmatisch und gab ihr Plazet zur Streichung.

Nun dürfte dieser Konflikt rechtzeitig vor dem Hamburger Parteitag und dem Wahlkampfbeginn entschärft sein. Horcht man in die Partei hinein, so wird jedoch klar: Der Personalkonflikt um die Kandidatenliste ist offensichtlich noch nicht ausgestanden. »Das kann durchaus noch spannend werden«, sagt ein Insider gegenüber »nd«. Springers »Welt« spricht gar martialisch von einer »fieberhaften« Kompromisssuche im »Listenkrieg«.

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